Tracking, Spionage-Apps, Überwachung: Fürsorge oder Vertrauensbruch?

HERE GOES INVISIBLE HEADER

Tracking, Spionage-Apps, Überwachung: Fürsorge oder Vertrauensbruch?

Tracking, Spionage-Apps, Überwachung: Fürsorge oder Vertrauensbruch?

Nahaufnahme von Laptop, Maus, Smartphone und Hand.
Eltern wollen ihre Kinder in Sicherheit wissen. Aber taugen Tracking-Apps und Spyware überhaupt dazu?

Stand: März 2025 | Lesezeit: 5 min.

Babyfon für ältere Kinder: Rund die Hälfte aller Eltern kann sich vorstellen, die Handys ihrer Kinder mit spezieller Software zu überwachen. Das ist einerseits verständlich, andererseits sehr problematisch. Medienpädagogin Petra Wolf von der Aktion Jugendschutz schätzt die Lage ein.

  1. 1
    Die Sorgen der Eltern
  2. 2
    GPS-Tracking und Spyware
  3. 3
    Trügerische Sicherheit
  4. 4
    Die Sache mit dem Datenschutz
  5. 5
    Ausblick und Alternativen

Die Sorgen der Eltern

Alle Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder. Dazu gehört natürlich auch ihre Sicherheit. Die fängt bei der Kommunikation in den sozialen Medien an und hört beim Nachhauseweg nach der Schule auf. „Natürlich haben Eltern Angst um ihre Kinder, das ist ja völlig normal“, so Petra Wolf von der Aktion Jugendschutz. „Ihre größte Sorge ist, dass sie mal nicht nach Hause kommen und das Thema 'vermisste Kinder' hat in der Öffentlichkeit und in den sozialen Medien eine hohe Relevanz.“ Eines ist Petra Wolf aber wichtig: „Ich habe die Zahlen recherchiert“, meint sie, „und es verschwinden heute gar nicht mehr Kinder als vor 20 Jahren. Knapp 97 Prozent der Vermisstenfälle klären sich sofort wieder auf.“ Aber diese Zahlen, gibt Petra Wolf zu bedenken, kommen gar nicht an bei den Eltern. „Und das verstehe ich natürlich auch. Es ist wichtig, die Ängste der Eltern ernstzunehmen und zu hinterfragen.“

GPS-Tracking und Spyware

Diese Ängste führen aber eben dazu, dass mehr und mehr Eltern die Handys oder Smartwatches ihrer Kinder mit GPS-Trackern ausstatten, um jederzeit zu wissen, wo sie sich aufhalten. Aktuelle Zahlen zeigen, dass sich die Hälfte aller Eltern von Kindern im Alter zwischen drei und 14 Jahren zumindest vorstellen könnte, ihre Kinder permanent zu orten. Das bringt Petra Wolf schwer ins Grübeln. „In den letzten Jahren wurde das Thema immer präsenter“, so die Medienpädagogin. „Vor 2023 hörte ich kaum davon, und mittlerweile erschallt es von allen Seiten. Das macht mir durchaus Sorgen, denn ursprünglich wurde diese Software ja erfunden, um entlaufene Hunde zu finden. Nur weil es neue technische Möglichkeiten gibt“, betont sie, „muss man sie nicht gleich innerfamiliär nutzen.“

Deutlich bedenklicher stuft Petra Wolf Spyware ein – Apps wie mSpy also, die sich auf dem Handy verstecken, Nachrichten mitlesen und die Kamera auslesen können. „Das ist aus kinderrechtlicher Perspektive hochproblematisch. Auch Kinder haben nach § 16 der UN-Kinderrechtskonvention ein Recht auf Schutz der Privatsphäre. Das gilt für Tagebücher und Briefe ebenso wie für WhatsApp-Nachrichten. Wenn die Kinder das herausbekommen, kann es dazu führen, dass sie ihren Eltern gar nichts mehr erzählen.“ Zumal hier die zusätzliche Gefahr besteht, dass diese Daten abgeschöpft werden und in falsche Hände geraten.

 

Trügerische Sicherheit

Ein großes Problem dieser Software ist häufig auch die trügerische Sicherheit. Man verlässt sich auf Technik, und nicht länger auf Erziehung. „Was ist, wenn der Akku leer ist? Oder wenn mein Kind seine Smartwatch in der Sporthalle liegen lässt? Zudem sind Kids ja auch clever. Wenn sie also nicht wollen, dass man sie überwacht, dann lassen sie ihr Handy einfach irgendwo liegen.“ Tracking-Mechanismen gaukeln also oftmals eine Sicherheit vor, die sie gar nicht leisten können.

Viel wichtiger sei daher, Eltern zu sensibilisieren und auf ihre Ängste einzugehen. „Eltern können sich fragen, wovor sie eigentlich Angst haben. Was verspreche ich mir denn von dem Tracking oder von den Funktionen einer Smartwatch? Man sollte zumindest gründlich darüber nachdenken, ob diese Geräte diese Sicherheiten denn auch wirklich geben können“, sagt Wolf. Nicht zuletzt können natürlich auch die Ortungsdaten in falsche Hände geraten. Es ist also ungemein wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, wie sicher diese Software ist und was mit den gespeicherten Daten passiert.

Unter gewissen Umständen kann sich Petra Wolf den Einsatz von Tracking-Software aber durchaus vorstellen. „Es gibt durchaus Situationen, in denen eine solche Software eine gute Lösung sein könnte. Vielleicht bei einem besonders ängstlichen Kind oder bei einem neuen oder sehr langen Schulweg. Oder vielleicht habe ich ein Kind, das Beeinträchtigungen hat. Vielleicht trauen sich ängstliche Kinder auch mehr eigenständige Schritte zu, das ist alles höchst individuell. Wichtig ist nur, dass man das vorher gut mit den Kindern abspricht. Und keinesfalls ohne ihr Wissen eine solche Software installiert.“ Dieser Vertrauensbruch, gibt sie zu bedenken, könnte das Verhältnis zwischen Eltern und Kind dauerhaft schädigen.

Die Sache mit dem Datenschutz

Bei der ungefragten Installation von GPS-Trackern oder Spyware gibt es zudem ein weiteres Problem: Den guten alten Datenschutz. „Eltern sollten hin und wieder daran erinnert werden, dass Kinder ebenso wie Erwachsene Persönlichkeitsrechte und das Recht auf Privatsphäre haben“, betont Wolf. „Es ist nur immer etwas kompliziert, weil Eltern diese Rechte für ihre Kinder wahrnehmen, solange diese noch klein sind.“ Alle Kinder sind aber eben rechte tragende Personen, doch kleinere Kinder können diese Rechte noch nicht selbst wahrnehmen. „Da sind also die Eltern gefordert, die Rechte im besten Interesse ihrer Kinder wahrzunehmen.“ Ausspionieren gehört da wohl kaum dazu.

 

Ausblick und Alternativen

Zusammenfassend lässt sich sagen: Während von Spyware durchaus abzuraten ist, sollte Tracking-Software nur nach genauer Überlegung und immer in Rücksprache mit den Kindern verwendet werden. Transparenz ist alles. Petra Wolf schaut dennoch besorgt in die Zukunft: „Ich befürchte, dass die Eltern irgendwann unter Zugzwang geraten, wenn sich diese Zahlen so weiterentwickeln“, meint sie. „Irgendwann müssen sie sich vielleicht Anfeindungen anderer Eltern gefallen lassen, weil sie ihre Kinder nicht mit Tracking-Software überwachen. In den USA wird ja schon die Polizei geholt wird, wenn Kinder alleine vor dem Haus spielen. Das ist natürlich auch kein schönes Szenario.“

Stattdessen plädiert Wolf für eine offene Kommunikation und gemeinsame Strategien. „Familien können gemeinsam einen Notfallplan aufstellen: Was ist in welcher Situation zu tun, wer ist anzurufen? Wenn beide Eltern arbeiten, kann man vereinbaren, dass die Kids eine Nachricht schreiben, sobald sie zuhause sind. Zudem hilft es, feste Uhrzeiten zu vereinbaren, zu denen die Kinder zuhause sein müssen. Darüber hinaus ist es immer gut, wenn Eltern wissen, wie der Schulweg aussieht, mit wem ihre Kinder von der Schule nach Hause gehen oder wie sie sich gegenüber Fremden verhalten.“ Das bringt den Kids viel mehr als eine Tracking-Software auf dem Handy. Und trägt zudem zu bedachten Verhaltensweisen im Alltag bei.

 

Weiterführende Informationen

Über den Autor

Björn Springorum ist freier Journalist und Schriftsteller. Er schreibt u.a. für die Stuttgarter Zeitung, den Tagesspiegel und konzipiert Comic-Geschichten für “Die drei ???". Als Schriftsteller hat er bislang fünf Kinder- und Jugendbücher verfasst. Zuletzt erschienen: “Kinder des Windes" (2020), Thienemann Verlag. Er lebt in Stuttgart.