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Medienbildung: Früher Start, große Wirkung
Medienbildung ist eine Lebensaufgabe. Doch je früher man mit ihr anfängt, desto besser finden sich Jugendliche in der Informationsflut unserer Zeit zurecht. Im Idealfall sollte schon im Kindergarten damit begonnen werden.
Medien, und da insbesondere die digitalen, sind ein integraler Bestandteil unserer Gesellschaft. Die durchaus überraschenden Ergebnisse der jüngsten miniKIM-Studie zeigen, dass auch immer mehr Kleinkinder Handy und Tablets nutzen oder gar besitzen. Das ist im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung nicht aufzuhalten. Umso wichtiger ist es aber, schon früh mit der Medienbildung zu beginnen. Das Problem ist nur, dass sich dieses Ziel nicht so ohne weiteres umsetzen lässt.
- 1Die miniKIM-Studie 2023
- 2Was sagen uns diese Ergebnisse?
- 3Der Wert frühkindlicher Medienbildung
- 4Status quo – so läuft es in Deutschland
Die miniKIM-Studie 2023
Als der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest kürzlich die Ergebnisse seiner jüngsten miniKIM-Studie vorgestellt hat, war das Erschrecken bei vielen groß: Jedes fünfte Kind zwischen zwei und fünf Jahren besitzt ein eigenes Tablet. Das ist ein Anstieg von 50 Prozent gegenüber der letzten Studie von 2020. Jedes zehnte Kind in dieser Altersgruppe besitzt darüber hinaus ein eigenes Smartphone. Mittlerweile nutzen 23 Prozent der Zwei- bis Fünfjährigen täglich mindestens ein Gerät mit Internetzugang – Smartphone, Tablet, Laptop oder Sprachassistent. Nimmt man Mediatheken, Streaming-Dienste, Apps oder Videospiele in diese Betrachtung mit auf, nutzen 44 Prozent der Vorschulkinder täglich digitale Angebote. Die Tendenz, sie zeigt in allen Bereichen klar nach oben.
Was sagen uns diese Ergebnisse?
„Kinder wachsen heute in einem stark vernetzten Haushalt auf, die direkte Verfügbarkeit von Endgeräten ist gestiegen“, sagt Thomas Rathgeb von der Landesanstalt für Kommunikation. Die Ergebnisse der Studie sind auch für ihn überraschend: „Es liegen ja nur drei Jahre zwischen dieser und der letzten Studie“, meint er erstaunt und fügt an: „Die digitale Welt beginnt für Kinder mittlerweile sehr früh.“ Vor allem ist diese Welt deutlich vielfältiger als noch vor 20 Jahren. Damals gab es im Grunde nur das Fernsehen und CDs, heute verteilt sich der Medienkonsum auf zahlreiche Medien und Formate. „Da kann man sich schon die Frage stellen, inwieweit Kinder selbst in der Lage sind, sich dort zurechtzufinden“, so Rathgeb. „Kinderprogramme gibt es ja auch natürlich bei Streaming-Anbietern, aber das heißt noch lange nicht, dass das Programm dann auch für Zwei- bis Fünfjährige geeignet ist. Im Internet ist das deutlich weniger reguliert als im Fernsehen. Dort startet einfach die nächste Sendung, oder man bekommt beispielsweise bei YouTube automatisch vorgeschlagen, was man als nächstes schauen könnte – ohne Altersorientierung.“ Viele Anbieter nutzen hier auf perfide Weise sogar verstörende oder gruselige Vorschaubilder, um Kids zum Klicken zu animieren.
Für Thomas Rathgeb ist es aber gar nicht so sehr die Tatsache, dass jedes zehnte Vorschulkind ein eigenes Smartphone besitzt. Sondern wie mit diesen Geräten umgegangen wird. „Die Frage ist für mich daher eher: Was macht mein Kind damit und wie habe ich das Gerät eingestellt? www.medien-kindersicher.de bietet Hilfestellung bei der wichtigen Frage, wie man seine Geräte kindersicher einrichten kann. Wie immer braucht es aber natürlich Regeln und einen geschulten Blick der Eltern in Bezug auf die Mediennutzung ihrer Kinder.“ Letztlich müssen sich Eltern auch hier ihrer Vorbildrolle bewusst sein. Kinder ahmen nun mal nach. Und so salopp und einleuchtend das klingt: Wenn die Eltern viel am Smartphone hängen, tun es die Kinder nun mal auch. „Generell sollte man sich als Eltern gut überlegen, ob das Kind wirklich ein Smartphone braucht und ob nicht andere Alternativen sinnvoller sind.“ Immerhin: Das Buch bleibt mit 27 Prozent das beliebteste Medium in dieser Altersgruppe.
Der Wert frühkindlicher Medienbildung
Für jedes Medium gelten andere Regeln. Die Nutzung aller will aber eben gelernt sein. Und das funktioniert nur, wenn man Kinder früh an ein Medium heranführt und bei der Nutzung begleitet.„Vielleicht sucht man sich zwei, drei Fernsehsendungen aus, die man regelmäßig mit seinem Kind schaut“, schlägt Rathgeb vor. „Dann hat man auch gleich ein gemeinsames Ritual. Ganz allgemein geht es aber um die Bedürfnisse des Kindes: Will es überhaupt fernsehen? Oder will es anders unterhalten werden? Vielleicht ist dann eher ein Spiel, ein Malbuch oder ein Buch das Richtige. Es ist eben nicht so, dass jedes Kind mit vier plötzlich reif wird. Entwicklung ist etwas höchst Individuelles. Das muss man auch bei der Mediennutzung berücksichtigen.“
Wenn sie richtig angewandt wird, kann frühkindliche Medienbildung Kinder auf ihr Leben vorbereiten und frühzeitig fit machen für eine digitale Welt. „Je früher das gelingt, desto besser“, so Rathgeb. „Auf jeden Fall im Kindergartenalter. Da beginnt ja auch die Mediennutzung. Wer da von Anfang an begleitet wird, entwickelt ein anderes Verhältnis zu den genutzten Medien. Deswegen ist mir auch wichtig, dass Eltern und Erziehende realisieren, dass es ihre Aufgabe ist. Dieses Thema darf nicht ausgelagert werden, man darf nicht denken, dass das schon irgendjemand übernehmen wird. Medienbildung ist ein essentieller Erziehungsauftrag, denn Medien sind ein essentieller Teil unserer Gesellschaft.“
Die ebenfalls vor einigen Wochen veröffentlichte Sinus-Studie hat aufgezeigt, dass Jugendliche noch nie so sorgenvoll und angsterfüllt in die Zukunft geblickt haben. Das lässt sich durch richtige Medienerziehung natürlich nicht einfach so aus der Welt schaffen und hat mit fundamentalen Umwälzungen wie Krieg, Naturkatastrophen oder Inflation zu tun. „Dennoch ergibt es schon im Grundschulalter Sinn, die Funktion der Medien kennenzulernen“, findet Thomas Rathgeb. „Wie kann ich sie nutzen? Wo muss ich kritisch sein? Wie kann ich Fake News erkennen? All das ist wichtig, um nicht in der Informationsflut unterzugehen. Und daraus resultierend dann vielleicht auch reflektierter, besonnener in die Zukunft zu blicken.“
Status quo – so läuft es in Deutschland
Generell erteilt Thomas Rathgeb dem Zustand der frühkindlichen Medienbildung in Deutschland keine allzu gute Note. „Insgesamt wird zu wenig getan“, stellt er ernüchternd fest. „Das liegt natürlich daran, dass unser Bildungssystem sehr belastet ist. In der Schule soll plötzlich alles gleichzeitig passieren, was natürlich niemand leisten kann. Es gibt einfach zu wenig Personal.“ Dennoch findet er, dass das Thema Medien in Kindergarten und Schule viel selbstverständlicher und natürlicher behandelt werden müsste. „Es gibt längst keine Welt ohne Medien mehr. Das muss sich mehr widerspiegeln. Es muss einen besseren Dialog geben zwischen Eltern und Erziehenden, es braucht mehr Projekte, es braucht mehr Selbstverständnis für dieses Thema. Aber es braucht eben auch viel mehr Fachkräfte. Menschen, die Erziehungswissenschaften studieren oder eine Ausbildung in diesem Bereich machen, müssten ebenfalls viel mehr in Sachen Medien geschult werden. Ebenso braucht es geschultes Personal in Erziehungseinrichtungen.“
Medienbildung hängt hier aber eben, und das ist ein zentraler Punkt, entscheidend von der Medienkompetenz der Erzieher*innen ab. Und da zeigen Studien und Umfragen eben, dass sich das Personal oftmals nicht qualifiziert genug fühlt oder den Einsatz Medien generell meidet, um nichts falsch zu machen. Das wiederum führt dazu, dass viele die Notwendigkeit frühkindlicher Medienbildung abtun und das Thema vernachlässigen oder gar komplett umschiffen. Daran muss sich dringend etwas ändern.
Stand: Juli 2024
Weiterführende Informationen
Weitere Links
www.mpfs.de
Die miniKIM-Studie 2023
www.lmz-bw.de
Frühkindliche Medienbildung beim Landesmedienzentrum
www.sinus-institut.de
Die Sinus-Studie