„Sharenting“: Das sollten Eltern beachten, wenn sie Bilder ihrer Kinder teilen

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„Sharenting“: Das sollten Eltern beachten, wenn sie Bilder ihrer Kinder teilen

„Sharenting“: Das sollten Eltern beachten, wenn sie Bilder ihrer Kinder teilen

Viele Eltern stellen Fotos ihrer Kinder ins Netz ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Das kann später nicht nur unangenehm für den Nachwuchs werden, sondern im schlimmsten Fall gefährliche Folgen haben.

Digitale Medien sind aus dem Familienleben nicht mehr wegzudenken. Das hat viele Vorteile, aber auch manchen Nachteil. Insbesondere das oftmals unreflektierte Posten von Kinderfotos oder -videos ist problematisch. Nimmt das Überhand, ist von „Sharenting“ die Rede. Weil das Netz aber nichts vergisst und diese Fotos im Zweifel auch den falschen Leuten in die Hände fallen könnten sollte man beim Teilen von Fotos und anderen Medien besondere Vorsicht walten lassen – besonders in der Urlaubszeit.

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    Was ist Sharenting?
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    Warum Sharenting gefährlich sein kann
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    Was Eltern beachten sollten
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    Vorbild sein
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    ...und wie ist das rechtlich?

Was ist Sharenting?

Der englisch geprägte Begriff „Sharenting“ ist eine Wortneuschöpfung aus den englischen Begriffen „Sharing“ (teilen) und „Parenting“ (Elternschaft). Es beschreibt den Trend, dass Eltern „eine große Menge potenziell sensibler Inhalte wie Fotos, Videos und Informationen über ihre Kinder auf Internetplattformen veröffentlichen.“ Das ist längst nicht mehr nur bei Prominenten oder Influencer*innen Standard.

Warum Sharenting gefährlich sein kann

Die Zahlen sind erschreckend: Wie Studien besagen, sind von Kindern bis zu ihrem fünften Lebensjahr bereits durchschnittlich 1.500 Bilder online – ausgerechnet hochgeladen von den Vertrauenspersonen schlechthin: den Eltern. Andrea Zeisberg vom Landesmedienzentrum Baden-Württemberg sieht darin ein großes Problem: „Im Internet geht nichts verloren“, betont sie. „Und wir sprechen jetzt nicht nur über Nacktfotos. Sobald man etwas öffentlich ins Netz stellt, hat man die Kontrolle darüber verloren“, ergänzt Zeisberg

Man könne ab dem Moment des Uploads eben nicht mehr bestimmen, in welchen Kontexten die Bilder weiter verbreitet werden. „Medien können spielend leicht abgeschöpft werden und den falschen Menschen in die Hände geraten – Stichwort Kinderpornografie, Stalking, Entführungen.“ Natürlich seien dies Worst Cases, betont Zeisberg. Aber: es gibt zahlreiche weitere Arten des Missbrauchs dieser Medien. „Kinderbilder können beispielsweise auch kommerziell genutzt werden – oder als Training für eine KI. Darüber hinaus können vermeintlich lustige Fotos des Nachwuchses später auch zu unangenehmen Situationen oder gar zu Mobbing führen. Eltern müssen berücksichtigen, dass ihre Kinder nicht immer Kinder sein werden.“

Was Eltern beachten sollten

Wir alle teilen Fotos. Beim Essen, beim Sport, im Urlaub, aus der Bar. Immer und überall. Der Unterschied ist aber eben: Während wir selbst darüber entscheiden können, was wir von uns preisgeben, haben Kinder diese Wahl oftmals nicht. „Kinder sind Menschen mit Rechten wie wir alle. Das muss respektiert werden“, findet Zeisberg. „Es sollten also keinerlei Informationen, ganz gleich ob Wort oder Bild, geteilt werden, die diesen Menschen unangenehm werden können. Wenn das Kind alt genug ist, um sich gegen das Teilen auszusprechen, sollte auch das in jedem Fall respektiert werden. Alles andere verletzt die Privatsphäre des Kindes.“

Schnell kann man dabei sogar in rechtliche Probleme geraten. Das zeigt auch das prominente Beispiel von Spencer Elden, das nackte Baby auf dem Cover des Nirvana-Albums „Nevermind“. Seit Jahren klagt der heute 33-Jährige gegen das Motiv und wirft der Band Missbrauchsdarstellung vor. Bislang zwar ohne Erfolg, doch der Fall zeigt, was passieren kann, wenn man zu sorglos mit dem Bildrecht der eigenen Kinder umgeht. Zeisberg: „Von geteilten Nacktaufnahmen oder Bildern mit leicht bekleideten Kindern rate ich immer ab. Auch wenn man diese Intention nicht hat, kann man da ganz schnell in den Bereich der Kinderpornografie rutschen.“

Wer also unbedingt etwas von seinen Kindern mit der Welt teilen möchte, sollte das sensibel tun. Gesichter stets unkenntlich machen, darauf achten, dass man anhand des Hintergrundes keine Rückschlüsse auf Wohnort oder Schulweg schließen kann. „Man erzählt ja auch nicht jedem Fremden auf der Straße, wo man wohnt und wo sich das eigene Kind den Tag über aufhält“, sagt Zeisberg. Am besten stellt man anhand der verfügbaren Filter gleich noch ein, dass nur bestimmte Menschen (wie der engere Familienkreis) die Bilder angezeigt bekommen. „Oder noch besser: Man nutzt ein eigenes Cloud-System, komplett losgelöst von den großen Plattformen und ist deswegen deutlich sicherer unterwegs“, schlägt Zeisberg vor. „Letztlich kann man sich dazu immer noch überlegen, ob man mit dem Teilen einverstanden wäre, wenn es ein eigenes Kinderbild wäre.“

Vorbild sein

Eltern und Erziehungsberechtigte sind Vertrauenspersonen, grundsätzlich also Vorbilder für ihre Kinder. „Und zwar in allem, was sie tun“, betont Andrea Zeisberg. Kinder lernen also sehr früh, wie sich ihre Eltern im Netz verhalten – und übernehmen dieses Verhalten automatisch. Das kann vor allem dann problematisch werden, wenn die Eltern als sogenannte Momfluencer oder Dadfluencer im Netz von ihrem Alltag erzählen. „Ich möchte nicht alle Mom- und Dadluencer über einen Kamm scheren, weil es in diesem Bereich auch viel Gutes und Gewinnbringendes für Eltern gibt“, meint Zeisberg. „Es gibt aber eben auch die, die ihre Kinder als Statussymbole sehen und sich darüber profilieren wollen. Das wird insbesondere dann schwierig, wenn die Identität der Kinder nicht geschützt ist.“ Mit einer Vorbildrolle hat das herzlich wenig zu tun, eher mit einer Ausbeutung der eigenen Kinder.

...und wie ist das rechtlich?

Grundsätzlich gilt: „Kinder haben wie alle anderen Personen auch das Recht am eigenen Bild, können jedoch nicht selbst über eine Veröffentlichung entscheiden, weil sie die Folgen noch nicht abschätzen können.“ Rechtlich ist das in der Tat knifflig, denn: „Im Kinder- und Jugend(medien)schutz besteht eine Herausforderung frei nach dem Motto: ‚Wo kein*e Kläger*in, da kein*e Richter*in’“, heißt es bei der Bundeszentrale für Kinder- und Medienschutz.

Und weiter: „Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes erfährt das Persönlichkeitsrecht von Kindern durch Artikel 6 GG eine Verstärkung, die auch den Staat verpflichtet, die Lebensbedingungen und das gesunde Aufwachsen von Kindern zu sichern, zu denen auch die elterliche Fürsorge gehört. Der häusliche Bereich stellt eine besonders geschützte Sphäre dar, die grundsätzlich frei von Funktionszwängen und Medienpräsenz sein soll. Um sich zu eigenverantwortlichen Personen zu entwickeln, sollen sich Kinder frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten können. Sharenting & Co. konterkarieren dies.“

Eine Petition möchte diese Dinge beschleunigen, auch ein neues Gesetz – wie das „Influencer-Gesetz“ in Frankreich – könnte zu einer vereinfachten Anwendung des Rechts führen. Bis dahin sind weiterhin die Eltern in ihrer Rolle als Vertrauenspersonen gefragt.

Stand: August 2024

Weiterführende Informationen

Über den Autor

Björn Springorum ist freier Journalist und Schriftsteller. Er schreibt u.a. für die Stuttgarter Zeitung, den Tagesspiegel und konzipiert Comic-Geschichten für “Die drei ???". Als Schriftsteller hat er bislang fünf Kinder- und Jugendbücher verfasst. Zuletzt erschienen: “Kinder des Windes" (2020), Thienemann Verlag. Er lebt in Stuttgart.