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Emojis: Alberne Hieroglyphen oder gefährliche Code-Sprache?
Stand: April 2025 | Lesezeit: 6 min.
Die einen sehen in Emojis den Niedergang der deutschen Sprache, die anderen eine willkommene Diversifizierung unserer Alltagskommunikation. Spätestens seit der Netflix-Serie „Adolescence“ wissen wir: Hinter Emojis steckt ein kompliziertes und manchmal problematisches Netzwerk aus Codes, Abkürzungen und Formeln.
- 1Woher kommen Emojis?
- 2Sind Emojis eine neue Sprache?
- 3Gen Z gegen Boomer: Wie unterschiedlich wir Emojis nutzen
- 4„Adolescence“ und die Gefahr der Emoji-Codes
Woher kommen Emojis?
Tränen lachen, Küsschen verteilen, Daumen hoch oder Augen verschließen: Emojis sind aus unserer Kommunikation nicht mehr wegzudenken. Fast jede*r Fünfte verwendet sie in jeder Nachricht. Wer die eigene heutige Online-Kommunikation prüft, stößt höchstwahrscheinlich auch auf einige bunte Bildchen und Gesichter. Und warum auch nicht: Emojis, Emoticons oder Smileys haben schließlich eine lange Tradition. Fischt man ein wenig in der Ursuppe des Internet, dann stößt man unweigerlich auf den 19. September 1982 als Geburtsstunde der Emojis – damals noch dargestellt mit einer herkömmlichen Tastatur und seitlich liegenden Smileys. „Ich schlage die folgende Zeichenfolge für Witz-Markierungen vor: :-)“, so empfiehlt an diesem Tag Scott Fahlman aus Pittsburgh ein probates Mittel zur Vereinfachung der Kommunikation.
Richtig los mit den Emojis, die wir heute kennen und nutzen, geht es 1999. Damals entwirft der japanische Designer Shigetaka Kurita 176 Piktogramme für den Mobilfunkanbieter NTT Docomo. Darunter sind schon damals Manga-ähnliche Gesichter, Herzchen, Wetterphänomene. „Kuritas Emojis pflanzten die Samen für die Explosion einer neuen Bildsprache“, so schwärmt das Museum Of Modern Art in New York City, das sich diese Kollektion gesichert hat. Und irgendwie stimmt das ja auch, wie letztlich schon das Wort „Emoji“ zeigt: Es setzt sich aus dem japanischen Schriftzeichen für „e“ (Bild), „mon“ (Ausdruck) und „ji“ (Buchstabe) zusammen.
Sind Emojis eine neue Sprache?
Ob man sie nun als Niedergang der deutschen Sprache oder als fortschrittliche Form der Kommunikation wertet - die modernen Hieroglyphen entwickeln sich rasend schnell weiter und verändern unsere Alltagssprache nachhaltig. Louis Cotgrove vom Leibniz-Institut für deutsche Sprache in Mannheim sieht das so: „Je nachdem, wie man Sprache definiert, könnten Emojis durchaus als neue Sprache gewertet werden. Sie enthalten zumindest sehr viele kommunikative Emotionen. Ein Kleinkind kann über das Endgerät der Eltern beispielsweise nur via Emojis mit den Großeltern kommunizierten, was also durchaus einer einfachen Symbolsprache nahekommt.“
Wie stark Emojis zumindest in die schriftliche Kommunikation eingegriffen haben, merkt man vor allem dann, wenn man sie bewusst weglässt. Sofort kann ein Satz ganz anders verstanden werden als mit entsprechendem Emoji dahinter, das die Aussage verstärkt oder verdeutlicht. „Emojis enthalten viele Metakommunikationen und paralinguistische Informationen“, so Louis Cotgrove. „Diese helfen uns dabei, eine Nachricht zu interpretieren. Dahingehend halte ich Emojis für ziemlich nützlich und verwende sie auch selbst häufig – auch wenn es natürlich immer auf den Rahmen einer Konversation ankommt.“
Dass Emojis, wie etwa das zwinkernde Gesicht, häufig auch missverstanden oder falsch ausgelegt werden können, ist klar. Eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom unter mehr als 1.000 Befragten ab 16 Jahren fand heraus, dass Emojis bei 56 Prozent schon mal zu Verwirrungen in Konversationen geführt haben – bei den 16- bis 29-Jährigen ist der Anteil mit 73 Prozent noch deutlich höher. Aber: „Das kann auch bei Körpersprache oder Ironie passieren“, so Cotgrove. Halten wir also fest: Emojis sind lediglich die Weiterführung aller vorausgegangener Kommunikationsmittel – mit allen Höhen und Tiefen. Nur eines lässt Cotgrove nicht durchgehen: Dass Emojis die deutsche Sprache kaputtmachen. „Über die Verrohung der Sprache haben sich doch schon die antiken Griechen beschwert“, sagt er. „Das ist bei jeder Generation dasselbe: Manche Menschen vergessen leider irgendwann, dass sie auch mal jung waren.“
Gen Z gegen Boomer: Wie unterschiedlich wir Emojis nutzen
Auffällig ist: Je nach Alter und Gesellschaftsschicht nutzen wir andere Emojis. „Dein Emoji-Gebrauch sagt sehr viel über dich als Person – bewusst oder unbewusst“, erkärt Louis Cotgrove dazu. Ist der nach oben gereckte Daumen bei älteren Menschen nach wie vor ein beliebtes Mittel, um Zustimmung auszudrücken, empfindet die Gen Z dieses Symbol aktuellen Studien zufolge bereits als passiv aggressiv. Mal ganz zu schweigen, dass er in anderen Kulturkreisen dieselbe Bedeutung hat wie der ausgestreckte Mittelfinger. „Was für viele von uns der lachende Smiley mit den weinenden Augen war, ist für die Jugendlichen der Totenkopf, weil sie damit ausdrücken, sie lachen sich tot.“ Wer den Totenkopf unreflektiert an die Großmutter sendet, sorgt wohlmöglich für große Verunsicherung.
Wie alles im Netz, verändern sich auch Emojis und deren Bedeutung mit rasender Geschwindigkeit. Darin liegt eine große Freiheit und eine ungeheure Kreativität. Aber auch eine gewisse Verantwortung, da man heute mit einem bunten Bildchen verunsichern, verletzen oder sogar drohen kann. „Emojis werden gerne genutzt, weil sie die Kommunikation mit emotionalen Aspekten anreichern“, weiß Matthias Pendl vom Max-Planck-Institut Hamburg. „Die Schwierigkeit liegt allerdings darin [...], dass die Interpretation nicht ganz einfach ist. In unterschiedlichen Kontexten kann ein und dasselbe Emoji so oder so verstanden werden.“
„Adolescence“ und die Gefahr der Emoji-Codes
Diffizil wird es insbesondere dann, wenn Diskriminierungen, Beleidigungen oder Androhungen codiert via Emojis versendet werden. Das kann soweit führen, dass Eltern den Bezug zu ihren Kindern verlieren und nicht mehr verstehen, wie sie kommunizieren. Das wird in der Erfolgsserie „Adolescence“ thematisiert, die derzeit weltweit für Furore sorgt. In der Serie begegnen die Zuschauer*innen dem Jugendlichen Jamie, der eine Schulkollegin erstochen haben soll. Zuvor soll er in die frauenverachtende Incel-Community abgedriftet sein, die ganz eigene Emoji-Codes für ihr misogynes Weltbild verwendet. Die Eltern in der Serie bekommen von all dem aber eben nichts mit.
Neu ist dieses Phänomen nicht. Für Teenager gehört das zum sogenannten Ablöseprozess, der wichtig ist, um eine eigene Identität aufzubauen. „Abkürzungen und Codes gab es schon immer. Auch die Rechtsradikalen nutzen eigene Geheimsymbole. Wie bei anderen medienpädagogischen Themen sind hier Aufklärung und digitaler Jugendschutz gefragt“, sagt Louis Cotgrove. „Eltern können ihre Kinder immer nur so gut vorbereiten wie ihr Wissen über die Gefahren des Internets reicht. Deshalb ist es essentiell, in diesem Bereich zu forschen und die Codes einer möglichst breiten Masse bekannt zu machen.“ Das Problem: Es kommen ständig neue Emojis, also auch neue Codes hinzu. Über kurz oder lang wird Emoji-Forschung auch in Sachen Medienbildung und politischer Aufklärung eine größere Rolle spielen müssen. Denn Emojis werden nicht verschwinden. Je früher und seriöser sich die Gesellschaft mit dieser neuen Form der Kommunikation auseinandersetzt, desto besser kann sie lernen und verstehen.
Weiterführende Informationen
Weitere Links
www.worldemojiday.com
Webseite des Welt-Emoji-Tag
www.swr.de
Gehören Emojis in den Duden?
www.nzz.ch
Emoji-Leitfaden