Maker Spaces: Was die Lust am Ausprobieren mit Medienbildung zu tun hat

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Maker Spaces: Was die Lust am Ausprobieren mit Medienbildung zu tun hat

Maker Spaces: Was die Lust am Selbermachen mit Medienbildung zu tun hat

Maker Spaces (hier die experimenta Heilbronn) bieten offene Workshops. Dort können sich junge Menschen außerhalb schulischer Leistungen ausprobieren.

Die einen programmieren, die anderen löten, dort hinten wird repariert und da wird gehackt: Überall im Land erlauben Maker Spaces Kids und Jugendlichen, sich in digitalen, technischen und naturwissenschaftlichen Welten auszuleben. Das leistet einen wichtigen Beitrag zur Medienbildung.

Es ist eine Binsenweisheit, aber: Je früher Kinder an ein Thema herangeführt werden, desto natürlicher wird ihr Verhältnis dazu. Das haben sich die zahlreichen Maker Spaces im Land zum Vorbild genommen. Sie bieten offene, niederschwellige und inklusive Räume für alle, die sich ausprobieren wollen. Das kann Hacking sein, Programmieren oder Software entwickeln, aber auch mit Erfinden, Tüfteln, Handwerken, Reparieren oder ganz grundsätzlich Verstehen zu tun haben. Das ist insbesondere für Mädchen wichtig, die immer noch seltener in MINT-Berufen landen. Und tut viel für Bildungsgerechtigkeit.

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    Was sind Maker Spaces eigentlich?
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    Was haben diese Orte gemeinsam?
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    Wie Maker Spaces Mädchen für MINT-Berufe begeistern können
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    Medienbildung gibt’s gratis dazu

Was sind Maker Spaces eigentlich?

Der Begriff Maker Space bezeichnet eine offene Werkstatt, deren Fokus auf allem möglichen liegen kann. Oftmals sind es digitale, technische oder handwerkliche Angebote, die Kindern und Jugendlichen sogenannte „future skills“ vermitteln sollen. Nora Hieronymus von der Ludwigsburger Kreativwerkstatt Tinkertank beschreibt das so: „Im Sinne des durch die OECD bekannten 4K-Modells vermitteln wir in ergebnisoffenen, prozessorientierten Workshops die Kernfähigkeiten Kreativität, Kollaboration, Kommunikation und Kritisches Denken.“

Dahinter steckt die Mission, Jugendliche wie Erwachsene auf mehreren Ebenen fit für die Zukunft zu machen – „sei es, um bei Schüler*innen das Interesse an einem Berufseinstieg im MINT-Bereich zu wecken und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, Lehrkräfte mit dem selbstbestimmten Making-Prinzip als nachhaltige und interdisziplinäre Methode der Bildungsvermittlung vertraut zu machen oder Kolleg*innen aus Unternehmen, Institutionen und Kommunen beim Angehen von individuellen Herausforderungen zu begleiten.“ Mit anderen Worten: Maker Spaces übernehmen eine wichtige Rolle beim spielerischen Erwerb entscheidender Schlüsselqualifikationen. Das wurde vor zwei Wochen auch im Europa Park deutlich, wo 40 Jugendliche beim Hackathon Hack To The Future der Initiative ihre digitalen Projekte realisierten.

Was haben diese Orte gemeinsam?

Die Bandbreite dieser offenen Werkstätten ist gewaltig. Im Grunde reicht das Spektrum vom Reparieren des Toasters bis zur Arbeit mit künstlicher Intelligenz. Auch jährliche Events wie die Code Week mit hunderten Veranstaltungen zählen dazu. „Was allen zugrunde liegt, ist der Gedanke des Ins-Machen-Kommens und der Freude am Ausprobieren, Tüfteln und Experimentieren, und das mit den eigenen Händen“, so Nora Hieronymus. „Damit verbunden ist der Wunsch, hinter die Kulissen zu schauen und Dinge zu verstehen. Wir sind umgeben von elektronischen Geräten, doch wir wollen wissen, wie sie funktionieren. Und wir wollen sie auch selbst reparieren können, denn dafür braucht es oft gar nicht so viel.“ Man muss eben nur wissen, wo man anfängt.

Maker Spaces bieten also Orte für Begegnung und den Austausch mit Fachleuten und Gleichgesinnten. Dazu kommen Werkzeuge und Materialien, die die Menschen oft nicht zuhause verfügbar haben. „Zudem steckt sehr oft der Gedanke von Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung dahinter.“ Gregor Schulte vom KI-Makerspace der Universität Tübingen ergänzt: „Maker Spaces schaffen Räume für den kreativen Umgang mit Technologie. Durch die bereitgestellten Geräte, die Anleitung und die Chance, neue Dinge auszuprobieren ergeben sich neue Möglichkeiten selbst kreativ zu sein.“

Wie Maker Spaces Mädchen für MINT-Berufe begeistern können

Die MINT-Berufe brauchen dringend Verstärkung. Obwohl die Zahlen langsam steigen, fangen noch immer deutlich mehr Männer als Frauen in diesen Berufsfeldern an, was beim zunehmenden Fachkräftemangel immer mehr zum Problem wird. Auch da helfen die Maker Spaces – nach einiger Latenz, wohlgemerkt: „In den ersten Jahren waren Maker Spaces noch sehr männlich orientiert“, weiß Nora Hieronymus, „aber mittlerweile nutzen und besuchen mehr und mehr Mädchen und Frauen diese Orte, sind an der Gründung beteiligt und fester Bestandteil der Teams.“ Wie Schulte vom KI Makerspace Tübingen aufzeigt, kann das Dinge nachhaltig verändern: „Durch gezielte Angebote für Mädchen schaffen wir geschützte Räume, in denen sich Mädchen ungestört mit neuen Techniken auseinandersetzen können. Dadurch haben wir einen hohen Mädchenanteil: Sowohl in Kursangeboten als auch in unseren offenen Angeboten erreichen wir zum Teil eine Quote von 50 Prozent.“ Wenn das die Zukunft der MINT-Berufe ist, haben wir ein großes Problem weniger.

Auch im Maker Space der experimenta Heilbronn beobachtet man ähnliches. „Ein genderneutraler Umgang ist für uns selbstverständlich. Durch diese Grundeinstellung erfahren insbesondere Mädchen, die im klassischen Rollenbild als technisch weniger interessiert angesehen werden, dass sie sich frei entfalten können und unabhängig in ihren Entscheidungen sind“, erläutert Teamleiter Andreas Thomé und verweist auf ein ebenfalls ausgewogenes Geschlechterverhältnis. „Leider fühlen sich einige Frauen in eher technisch geprägten Umfeldern nach wie vor unterlegen. Das ist vollkommen unbegründet. Wichtig ist, dass unsere Gesellschaft wie bei uns im Maker Space Berührungsängste abbaut und überholte Rollenverständnisse aufbricht. Es muss selbstverständlich sein, dass Mädchen und Jungen außerhalb klischeebehafteter Bereiche tätig sind. Dann werden sich automatisch mehr Mädchen in Richtung MINT-Berufe orientieren.“

Medienbildung gibt’s gratis dazu

Eine der großen Aufgaben unserer Gesellschaft ist die Medienbildung – und zwar gleichermaßen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Dadurch, dass diese hier beschriebenen Orte safe spaces sind, in denen sich Kinder und Jugendliche außerhalb der schulischen Evaluierungszone ausprobieren können, leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Medienbildung. Informatikerin Sabine Wieluch, die man vor allem als bleeptrack kennt, konkretisiert das: „Maker Spaces haben neben dem Praxisangebot oft tolle Vortragsreihen zu diversen Digital-Themen. Dazu tummeln sich ja immer fachliche Experten vor Ort. Entsprechend sind die vermittelten Fähigkeiten recht vielfältig, aber es gibt immer eine Gemeinsamkeit: Die Teilnehmenden sollen befähigt werden, selbst handeln zu können.“

Gregor Schulte kann das bestätigen: „Die Teilnehmer*innen können bei uns während des kreativen Arbeitens quasi nebenher digitale Kompetenzen lernen. Grundlagen wie: ‚Was ist eine Datei? Und wie finde ich sie nach dem Speichern wieder?‘ fließen im Laufe auch kleiner Projekte mit ein. Wenn man ein erstes kleines Spiel programmiert, muss man sich zum Beispiel mit den verschiedenen Grafik-Formaten beschäftigen – und damit, welche wie eingesetzt werden können.“ Auch für die experimenta Heilbronn steht abschließend fest: „Schöpferische Anwendungen von digitalen Medien prägen die Medienkompetenz positiv. Man erschafft etwas aus der eigenen Vorstellungskraft heraus und konsumiert nicht nur vorgegebenen Content.“

Stand: November 2024

Weiterführende Informationen

Über den Autor

Björn Springorum ist freier Journalist und Schriftsteller. Er schreibt u.a. für die Stuttgarter Zeitung, den Tagesspiegel und konzipiert Comic-Geschichten für “Die drei ???". Als Schriftsteller hat er bislang fünf Kinder- und Jugendbücher verfasst. Zuletzt erschienen: “Kinder des Windes" (2020), Thienemann Verlag. Er lebt in Stuttgart.