HERE GOES INVISIBLE HEADER
Social Engineering: Warum vor allem Ältere das Internet meiden
Menschen ab 65 nutzen das Internet am wenigsten. Dabei ist es essentiell für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Was dagegen getan werden kann – und welche Rolle Social Engineering dabei spielt.
Das Phänomen ist alt, die Begrifflichkeit relativ neu: Beim Social Engineering bringen Kriminelle ihre Opfer dazu, vertrauliche Informationen preiszugeben, indem sie sich als eine bekannte oder offizielle Person ausgeben. Der Beiname „Enkeltrick“ sagt schon, dass es hier häufig ältere Menschen trifft – aber eben längst nicht nur. Bei den Älteren führt dies wiederum dazu, dass sie dem Netz noch kritischer gegenüberstehen als vielleicht eh schon. Das ist aber kontraproduktiv. Viel eher muss die Gesellschaft diese Altersgruppe in Sachen Medienkompetenz fit machen. Und die Vorteile des "Online-Seins" betonen anstatt immer nur über die Nachteile zu sprechen.
- 1Enkeltrick und mehr: Social Engineering
- 2Wie man sich schützen kann
- 3Wieso ältere Menschen das Netz oft meiden
- 4Die Arbeit des Landesseniorenrats
Enkeltrick und mehr: Social Engineering
Davon hat jede*r schon mal gehört: Beim Enkeltrick bekommen bevorzugt ältere Menschen eine SMS oder WhatsApp, in der sich vermeintliche Enkelkinder zu Wort melden und um Geld bitten. Alles nur Phishing natürlich, Betrugsversuche also, die sich in den vergangenen Jahren rasend schnell verbreitet haben. Spam-Mails, Identitätsdiebstahl, all das zählt zum Themenkomplex Social Engineering. Das Perfide: gegen Viren kann man sich mit dem entsprechenden Virenschutz wappnen. Social Engineering nutzt aber die Schwachstelle Mensch.
„Beim Social Engineering werden menschliche Eigenschaften wie Hilfsbereitschaft, Vertrauen, Angst oder Respekt vor Autorität ausgenutzt, um Personen geschickt zu manipulieren“, heißt es beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationspolitik. „Cyber-Kriminelle verleiten das Opfer auf diese Weise beispielsweise dazu, vertrauliche Informationen preiszugeben, Sicherheitsfunktionen auszuhebeln, Überweisungen zu tätigen oder Schadsoftware auf dem privaten Gerät oder einem Computer im Firmennetzwerk zu installieren.“ Das sei eine Praktik, die seit Menschengedenken im Einsatz ist – Betrug gab es immer schon. „Im Zeitalter der digitalen Kommunikation ergeben sich jedoch äußerst effektive, neue Möglichkeiten für Kriminelle, mit denen sie Millionen von potenziellen Opfern erreichen können.“
Wie man sich schützen kann
Neben dem finanziellen Schaden spielt hier auch ein ideeller, menschlicher Schaden eine bedeutende Rolle. „Dieses Thema, hat viel mit Furcht, oftmals aber auch mit Scham zu tun“, so Anja Schwarz, Geschäftsführerin des Landesseniorenrats Baden-Württemberg. „Ich komme nicht zurecht und muss um Hilfe fragen. Das macht niemand gern, also lässt man vielleicht ganz die Finger davon.“ Gegen diese Angst, Betrügenden auf den Leim zu gehen, helfe aber eben nur Aufklärung – und zwar „ganz viel Aufklärung im Sinne klassischer Medienbildung“, meint Schwarz.
Ihrer Meinung nach braucht es eine Sensibilisierung, die dieser Altersgruppe die nötigen Instrumente an die Hand gibt, um souverän und autark auf Warnsignale zu reagieren. Das wären zum Beispiel: Keine Passwörter oder sonstigen vertraulichen Informationen teilen, nicht per se einem Absender oder einer Absenderin vertrauen, nicht auf unbekannte Links klicken, im Zweifel telefonisch bei der Person Rücksprache halten, mit der man es angeblich zu tun hat. „Darin zu schulen ist essentiell, weil diese Altersgruppe äußerst sensibel ist. Sie wollen einerseits nichts falsch machen, andererseits fehlt ihnen die Routine, was sie tendenziell leichtgläubiger und vertrauensseliger macht“, fasst Schwarz zusammen und fügt an: „Dazu braucht es im Übrigen aber nicht mal ein Smartphone: Viele aus dieser Generation stehen noch im Telefonbuch, da reicht ein einfacher Festnetzanschluss für Social Engineering.“
Prof. Dr. Eckart Hammer, Vorsitzender des Landesseniorenrats, ist bei diesem Thema eines besonders wichtig: Es betrifft längst nicht nur die Menschen ab 65. „Ich vermute mal ganz stark, dass fast jeder von uns, unabhängig vom Alter, schon auf eine dieser Maschen reingefallen ist.“ Ihm und Anja Schwarz ist es deswegen ein Anliegen, für die Nachteile der Digitalisierung fit zu machen und die Vorteile herauszuarbeiten. „Und die überwiegen“, findet Schwarz. „Wichtig ist nur zu verstehen, dass ich selbst darüber entscheiden kann, wie weit ich die Digitalisierung in mein Leben lasse.“
Wieso ältere Menschen das Netz oft meiden
„Social Engineering“, sagt Eckart Hammer, „ist eine der größten Schwellen, die ältere Menschen davon abhält, das Internet zu nutzen.“ Dennoch ist es nur eine von vielen existierenden Schwellen. Diese abzubauen ist eine der Hauptaufgaben des Landesseniorenrats und vieler anderer Einrichtungen. Beim Senioren-Medienmentoren-Programm des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg helfen etwa technisch affine Senior*innen Gleichaltrigen bei Fragen rund um Internet, Smartphone und digitaler Sicherheit. Auch das Netzwerk für Senioren im Internet der Medienanstalt LFK bietet Aktivitäten zur Stärkung der Medienkompetenz Älterer. Immer mit dem Ziel der Partizipation.
„Es gibt viele Dienste, Initiativen und auch unsere Mitgliedsverbände und Seniorenräte vor Ort, die diesbezüglich richtig gute Arbeit leisten“, findet auch Eckart Hammer. „Ich denke aber, dass man noch deutlich mehr tun sollte: Diese Situation wird sich nicht ‚auswachsen‘, wie ja manche immer betonen.“ So zeige eine aktuelle Studie, dass rund die Hälfte der ab 65-Jährigen kein Smartphone besitzt. „Und selbst die, die eins haben, nutzen es oftmals nur zum Telefonieren oder für WhatsApp“, so Hammer. Darüber hinaus wird es zudem immer Menschen geben, die nicht an der Digitalisierung teilhaben können, weil sie kognitiv eingeschränkt sind, weil sie eine Behinderung haben, weil sie vielleicht aber auch nicht das Geld für die technischen Voraussetzungen haben.“
Die Arbeit des Landesseniorenrats
Über 2,3 Millionen Menschen in Baden-Württemberg sind über 65 Jahre alt. Tendenz steigend. Damit stellen diese Menschen nicht nur die stärkste Wählergruppe im Land, sondern auch die Gruppe, die in Sachen Digitalisierung am häufigsten übergangen, außenvorgelassen wird. Eckart Hammer sieht darin ein großes Problem. „Je älter ein Mensch wird, desto wichtiger wird für ihn das Internet als Fenster zur Welt“, betont er. „Wenn man das Haus oder gar das Bett nicht mehr verlassen kann, wird das Internet oft zur einzigen Möglichkeit, den Kontakt zu Kindern, zu Enkeln, zur Umwelt zu halten, einzukaufen oder an der Gesellschaft teilhaben zu können.“
Mit seinen Mitgliedseinrichtungen und den 240 Seniorenräten im Land versucht der Landesseniorenrat alles, damit auch ältere Menschen digitale Kompetenzen erwerben und ganz allgemein Gehör finden. Und das seit 50 Jahren. „Wir wollen dieser Altersgruppe Partizipation ermöglichen“, ergänzt Anja Schwarz. „Schon viele Jahre dreht sich unser wesentlicher Schwerpunkt daher um diese eine Frage: Wie können wir es schaffen, die Generationen zusammenzubringen?“ Das gilt natürlich nicht nur, aber eben auch in der digitalen Welt. „Wir verstehen unsere Arbeit immer auch im Generationenverbund“, betont Hammer. „Altersfragen können nicht ohne die Jungen gelöst werden, genau so wie Kinder- und Jugendfragen nicht ohne die Alten gelöst werden können.“
Als Paradebeispiel sei in diesen Angelegenheiten immer Japan zu nennen. „In Deutschland herrscht ein eher negatives Alterungsbild“, nickt Schwarz. „Dazu muss man sich nur mal den aktuellen Diskriminierungsbericht ansehen. Es ist erschreckend, wie schlecht ältere Menschen in Deutschland gestellt sind. Deswegen ist es unerlässlich, die Generationen zusammenzubringen und zu zeigen, was man voneinander hat.“
Stand: Juli 2024
Weiterführende Informationen
Weitere Links
www.bsi.bund.de
Definition von Social Engineering
www.mpfs.de
SIM-Studie zum Medienumgang älterer Menschen
www.bmfsfj.de
Broschüre zur sicheren Internetnutzung