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TikTok, Snapchat, Telegram oder noch Instagram? Wie die Generationen Z und Alpha digitale Medien nutzen
Wer wissen will, wie Heranwachsende digital ticken, darf nicht nur Studien durchforsten. 10 Trends, wie die Generationen das Internet nutzen, die vor dem Sprechen bereits das Wischen gelernt haben – die Generationen Alpha und Z.
Studien können nur temporäre Trends sowie das durchschnittliche Nutzungsverhalten von Heranwachsenden widerspiegeln. Wer genauer wissen will, wie die Generation Z oder Alpha das Internet nutzt, muss auf wichtige Details achten. Wir haben eine Reihe von Trends zusammengetragen, wie sich das Onlineverhalten von Heranwachsenden mittlerweile gewandelt hat.
Dieser Text will bewusst Studien nur am Rande zitieren, hingegen praktische Beobachtungen unter die Lupe nehmen. Wer sich trotzdem für aktuelle Studien zur Mediennutzung von Heranwachsenden interessiert, findet diese unter
Zoomers, Alpha oder Omega: Die wievielte Generation haben wir gerade?
Die Generation Z, auch Zoomers genannt, besteht aus Personen, welche zwischen 1995 und 2009 geboren wurden. Stand 2022 sind die jüngster Zoomer 13 Jahre alt und davon geprägt,
- dass sie immer online sind,
- Schwierigkeiten zu haben, Entscheidungen zu treffen,
- maximal unverbindlich zu sein,
- unter extremen Leistungsdruck zu stehen
- und in der Familie Zuflucht zu finden.
Doch bereits die nachfolgende Generation Alpha, mit den Geburtsjahren 2010 bis 2024 scheint von der technischen Digitalität nochmal stärker durchdrungen zu sein. So schreiben Journalisten oder Jugendforscher, wie der Kemptener Simon Schnetzer, über die aktuelle Jugend-Generation:
- „Alphas [sind] global, digital, sozial, mobil, visuell“. (Jugendforscher Simon Schnetzer)
- „Eher wischen als richtig sprechen können. Typisch für Emma und ihre Generation. Die Generation Alpha.“ (Lea Thies für die Augsburger Allgemeine)
- „Je autonomer das [digitale] Umfeld der Generation Alpha, desto weniger Freiraum wird es für die Generation Alpha geben, Selbstwirksamkeit zu erfahren. Dadurch werden die Sinnfragen lauter und die Sinnkrisen häufiger.“ (Jugendforscher Simon Schnetzer)
- „Die Generation Alpha ist Teil eines unbeabsichtigten globalen Experiments, bei dem Bildschirme schon vor kleinsten Kindern zum Stillstellen, zur Unterhaltung und als Erziehungshilfe platziert werden“ (Soziologe Marc McCrindle)
Die zunehmende Digitalität führt bei den Alphas laut den Jugendforschern zu negativen Konsequenzen:
- Kinder werden unverbindlicher (fünf Minuten vor dem Fußballtournier per WhatsApp absagen)
- Dauervergleich und steigender Leistungsdruck durch ständige Selbstpräsentation
- Abhängigkeit von Bestätigung (bereits bei Zoomern ein Problem)
- Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen (Google und TikTok bieten zu viele Optionen)
- Angst, Fehler zu machen (weil alles digital dokumentiert wird)
- Schwierigkeiten mit Ruhe und Langeweile
- fehlendes Faktenwissen und Abwertung von praktischen Erfahrungen („Alexa, was ist 9 mal 7?“, Google Translate statt „English Listening Comprehension“)
Der starke Leistungsdruck und die Perspektivlosigkeit unter den Jugendlichen macht sich bei Fachpersonal bereits bemerkbar: Sprechstunden und Psychiatrien für Heranwachsende sind Stand 2022 in Deutschland völlig ausgebucht. Ob die digitale Welt schuld ist oder es ein Symptom globaler Krisen und deren Ängste ist, werden erst zukünftige Jugendforscher ans Licht bringen.
- 1PEW-Research: JIM-Studie auf US-amerikanisch
- 2TikTok statt Google: Warum die Heranwachsenden lieber auf TikTok suchen
- 3Konsumentscheidungen leicht gemacht: „TikTok, welchen Schuh brauch ich fürs Gym?“
- 4Klar bin ich schon volljährig! Mit falschen Altersangaben sind wir auch damals in die Disco reingekommen
- 5Digitale Askese: Auf jeden Trend folgt eine Anti-Bewegung?
- 6Posten, Löschen und Wieder-Posten
- 7Video mit Audio? Bitte nur mit Untertitel!
- 8Leute, lasst ein Abo da! Wenn (Eltern von) Kid-Fluencer(n) sich auf dem schmalen Grat der Kinderarbeit begeben
- 9Print-Produkte nicht totzukriegen: Oder wenn Kindermagazine stereotype Schönheitsideale perpetuieren
- 10Heute schon jemanden „gesmashed“? Wenn Generation Z auf Partnersuche geht
PEW-Research: JIM-Studie auf US-amerikanisch
Wie Jugendliche das Internet nutzen, wird auch in den USA statistisch untersucht. Aufgrund der regionalen Nähe zu Internetriesen wie Meta, Amazon oder Google entwickeln sich Trends dort schneller (Markteinführungen neuer Apps oder neue Funktionen finden hier zuerst statt), und können dort deutlich eher gesichtet werden als in Deutschland. Besonders folgende Fakten stechen aus der PEW-Untersuchung hervor:
- YouTube, TikTok, Instagram und Snapchat sind top.
- Facebook, Twitter und Tumblr flop.
- Waren vor fünf Jahren nur ein Viertel aller Jugendlichen konstant online, sind es bereits fast die Hälfte.
- WhatsApp wird nur von jedem fünften Jugendlichen genutzt.
- Jungs sind auf Twitch und Reddit aktiver, Mädels eher bei TikTok, Insta und Snapchat.
TikTok statt Google: Warum die Heranwachsenden lieber auf TikTok suchen
Vor gar nicht langer Zeit überkam Erziehende die Angst, dass Heranwachsende bald keine Höflichkeitsfloskeln mehr beherrschen – und nur noch „Hey, Siri“ oder „Alexa, wann sind endlich wieder Ferien?“ rufen. Doch alles kam anders: unter Jugendlichen hat TikTok als die große Suchmaschine mittlerweile Google vom Throngestoßen. Wie funktioniert der Satz des Pythagoras? Was verdient Cristiano Ronaldo? „Wie lange dauert Segs?“ (Lösung: laut doc.felix durchschnittlich 5 Minuten). All das erfahren wissbegierige Heranwachsende auf TikTok. Leider wird damit für die Suche eine Social-Media-App genutzt, welche Zensur, Drogenkonsum und lebensgefährliche Challenges salonfähig macht.
Konsumentscheidungen leicht gemacht: „TikTok, welchen Schuh brauch ich fürs Gym?“
Soziale Medien und deren Influencer/-innen Content Creator/-innen beeinflussen unser aller Einkaufsverhalten – vor allem das der jungen Generation. Ein Paradebeispiel ist dafür die extrem schnell mutierende Modemarke Shein. Mit einem manipulativen Mix aus FOMO, Neid, Angst und Shopping-Hauls (neudeutsch „Beutezüge“) preisen junge Damen und Herren in gesponsorten Outfits deren Vorzüge an. Welche Jugendliche mag da nicht mal kurz ein komplettes Outfit für die nächste Saison für 19,90 Euro zusammenshoppen?
Klar bin ich schon volljährig! Mit falschen Altersangaben sind wir auch damals in die Disco reingekommen
Wie verschaffen sich Minderjährige der Gen Z und Alpha Zugang zur Internetwelt? Mit falschen Altersangaben!
Deswegen will Instagram jetzt das wahre Alter seiner Nutzer/-innen jetzt per KI ermitteln. Der Grund dafür: Pädosexuelle hatten mit Instagram ein ideales Vehikel für ihre Cybergrooming-Aktivitäten gefunden, sodass Instagram massiv unter Zugzwang stand, etwas für einen besseren Schutz von Minderjährigen zu tun. Mittlerweile können Erwachsene nicht mehr unaufgefordert (bzw. ohne akzeptierte Freundschaft) mit Minderjährigen in Kontakt treten. Leider ist diese Sicherheitsmaßnahme nur so wirksam, wie ehrlich die Kinder bei der Altersangabe sind. Erfahrungsgemäß (und statistikgemäß bei einem Drittel aller Jugendlichen im Vereinigten Königreich) ist die Altersangabe meistens eine falsche.
Fehlerfrei funktionierende Jugendschutzsoftware, welche nicht durch einen kurzen Reboot oder Werks-Reset aus den Angeln gehoben werden kann, scheinen weiterhin Mangelware zu sein. Eltern sind gut darin beraten, an einer stabilen Eltern-Kind-Beziehung sowie einer gesunden Gesprächskultur in der Familie zu arbeiten.
Digitale Askese: Auf jeden Trend folgt eine Anti-Bewegung?
Heranwachsende sind sich der toxischen Wirkung sozialer Netzwerke stärker bewusst und verzichten absichtlich auf TikTok, Instagram und Co. Das will zumindest die New York Post belegen und hat dazu eine Reihe von Interviews unter Anfang 20-jährigen Studentinnen und Studenten geführt. Laut deren im April 2022 verfassten Artikel verliert Instagram unter Heranwachsenden wieder an Bedeutung. In einer in dem Artikel zitierten Umfrage geben mehr als die Hälfte der Generation Z an, dass Social Media sie von ihren Freunden „trennt“.
Das „zwanghafte Verhalten“auf Instagram und TikTok beschreibt eine 20-jährige Interviewte als „toxisch“ und „heimtückisch“, vor allem weil es ihr so normal vorkam. Dass man sich ständig mit sich selbst und anderen vergleicht und in einem ständigen Wettbewerb befindet, ist einer der Hauptgründe für Insta-Löschung oder halbjährige Insta-Pausen.
Für einen über 20-jährigen Interviewten scheint das Löschen von TikTok besonders einfach von der Hand zu gehen, da es so „nervig“ ist. Fraglich also, ob es TikTok schafft, auch bei achtsamen Älteren zu punkten oder ob es an seinem Jugendwahn und seiner toxischen Umgebung scheitert. Schließlich hat Facebook, die vor über 10 Jahren wichtigste Online Community (JIM-Studie 2011), unter Jugendlichen überhaupt keine Bedeutung mehr.
Posten, Löschen und Wieder-Posten
„Das Internet vergisst nichts!“, warnen seit Jahren Medienpädagogen und Lehrkräfte. Ausnahmsweise scheinen diese Warnrufe unter Teenagern Gehör gefunden zu haben.
Heranwachsende sind sich mittlerweile dessen bewusst, dass Party-Fotos (Bikini-Fotos, emotionale Ausbrüche, umweltunfreundliche Shopping-Hauls) ihre digitale Reputation aufs Spiel setzen können - und löschen diese nach einer Weile wieder. Spätere Lebensabschnittspartner, Arbeitgeber, Kommilitonen oder Kunden könnten vermuten, dass weiterhin einem promisken, wilden und selbstverliebten Lebensstil gefrönt wird. Ein weiterer trivialer Grund könnte sein, dass die alten Fotos peinlich werden. Fazit: Reputations-Management bleibt nicht mehr den Stars und Sternchen vorbehalten, sondern entspricht unter Heranwachsenden einem Lebenslauf 2.0.
Eine weitere Taktik, ihre digitale Präsenz zu frisieren, besteht darin, ein Finsta-Profil (steht für ein Fake- bzw. gefälschtes Instagram-Profil) anzulegen. Während das Rinsta-Profil (das „real Instagram-Profil) auf Hochglanz poliert und aufgeräumt daherkommt, wird sich auf den Finsta-Accounts (was nur für „very close friends“ zugänglich ist) die digital daneben benommen bzw. das wahre Ego gezeigt – unter Pseudonym versteht sich.
Video mit Audio? Bitte nur mit Untertitel!
Warum einfach, wenn es kompliziert geht, mag man bei diesem Trend denken: Heranwachsende bevorzugen mittlerweile Videos mit fest eingeblendeten Captions bzw. Untertiteln. Das hat viele triftige Gründe. Oft ist in Instagram-Reels die Audio-Qualität von Sketchen und Vlogs unterirdisch oder die Musikspur überprominent, so dass das „spoken word“ komplett untergeht oder bewusst darauf verzichtet wird. Die Untertitel helfen dann, den Witz, einen Dialog oder generell den Zusammenhang zu verstehen.
Die Captions werden auch dann eingesetzt, wenn ein Video inhaltlich angereichert werden soll. oder wenn die Gedanken der gezeigten Personen dargestellt werden soll. Ähnlich wie bei Memes können die Captions Gedanken, Geräusche oder Meinungen des Creators transportieren.
Ein weiterer Grund ist die wachsende Popularität von Video-Content. Heranwachsende, welche im Schulbus sitzen und aktuelle Nachrichten konsumieren wollen, lesen diese mittlerweile auf TikTok (Ton aus, Captions an) statt auf Online-Nachrichtenportalen für Jugendliche. Captions sind nämlich dann ein Segen, wenn Videos ohne Ton angeschaut werden müssen – z. B. heimlich unter der Schulbank oder während einer Besprechung.
Leute, lasst ein Abo da! Wenn (Eltern von) Kid-Fluencer(n) sich auf dem schmalen Grat der Kinderarbeit begeben
Früher eiferten Jugendlichen ihren Bravo-Idolen nach, in dem sie ihre Hobbies danach ausrichteten: singen wie Take That, Gitarre spielen wie Metallica oder Elfmeter verwandeln wie Miroslav Klose. Materieller Erfolg schien dabei Nebensache zu sein. Bei der jetzigen Generation geht es weniger um sportliche oder künstlerische Fähigkeiten, sondern vor allem um die „Gabe“, viele Nachfolgerinnen und Nachfolger auf Instagram oder TikTok in den Bann zu ziehen – und dadurch auch finanziell zu profitieren, indem sie Werbekooperationen eingehen. 12-jährige, die Zahnpasta anpreisen, 14-jährige mit Mode-Deals, Kinder-Influencer mit Millionen von Followern: all das scheint bei der Generation Z und Alpha so nachahmenswert zu sein wie noch minderjährige Fußballer, die bereits für fast 30 Millionen Euro auf dem Transfermarkt gehandelt werden.
Das Deutsche Kinderhilfswerk prangert die Schattenseiten dieser Generation-Alpha-Ferienarbeit an und weist auf eine Vielzahl von Risiken und Nebenwirkungen hin.
Print-Produkte nicht totzukriegen: Oder wenn Kindermagazine stereotype Schönheitsideale perpetuieren
Kinder lesen immer noch, weil ihnen Eltern Zeitschriften kaufen. Laut dem aktuellen Kids-Medien-Kompass lesen 86 Prozent der Kinder im Grundschulalter noch Zeitschriften (wie oft pro Jahr, Monat, Tage gelesen wird, wurde nicht angegeben). Beliebteste Titel sind „LEGO NINJAGO“, „Was ist was“, „Bibi & Tina“, „LEGO CITY“ oder „Prinzessin Lillifee“. Leider dominieren unter – von der IVW (dem TÜV für Reichweitenzahlen) geprüften – Kinderzeitschriften auch Titel mit fraglichen stereotypen Schönheitsidealen: In Publikationen wie der „TOP Model“ finden sich junge Leserinnen in der Welt von vierzehn Top-Models wieder, welche alle Manga-artig mit Wespentaille, aufgespritzt wirkenden Lippen und übergroßen Augen gezeichnet werden. Eltern sollten sich, bevor sie zum Zeitschriftenregal laufen, damit befassen, wie mediale Schönheitsideale ihre Kinder beeinflussen können.
Dass Lesekompetenz sehr wichtig ist und Hörmedien ein bildungstechnisch nachhaltiges Medium sind, kann man der aktuellen Eltern-Generation nicht oft genug ans Herz legen. Bedauerlicherweise lesen laut der Vorlese-Studie über ein Drittel aller Eltern ihren Kindern selten oder nie vor und fast der Hälfte aller Eltern macht Vorlesen keinen Spaß.
Heute schon jemanden „gesmashed“? Wenn Generation Z auf Partnersuche geht
Bei den Trends zur Generation Alpha darf das berühmte Jugendwort des Jahres („Smash“) nicht fehlen – auch oder weil es kurz darauf wieder in die Bedeutungslosigkeit versinkt (und nicht mal Jugendliche immer wissen, was damit gemeint ist).
Im Jahre 2022 wird der potenzielle Partner oder die Partnerin mit einem Wisch über den Touchscreen „gesmashed“. Eingeweihte würden jedoch niemals die Perfekt-Form von „smashen“ nutzen. Der Einsilber „Smash“ wird dann von sich gegeben – wenn die optischen Reize eines potenziellen „Dates“ auf einen der „Dating-Plattformen“ besonders ins Auge stechen. Falls die holde Unbekannte oder der unbekannte Partnersuchende nicht ins Beuteschema passen, wird hingegen „Pass“ gesagt. Auch auf Banalitäten wie auf die Textnachricht „Meine Eltern sind morgen Abend im Kino“ könnte ein „Smash“ als Antwort folgen. Zur Erklärung: In den Nuller-Jahren hätte man als Antwort „geil“ ins ICQ getippt.
Stand: November 2022
Weiterführende Informationen
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