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Schönheitsideale in sozialen Medien | Wie werden Jugendliche und Kinder davon beeinflusst?
„Smartphone, Smartphone in der Hand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“ Medien, Freunde und Eltern beeinflussen in hohem Maß, wie Kinder und Jugendliche ihren eigenen Körper wahrnehmen. Auch wenn sich Schönheitsideale im Laufe des Lebens wandeln, richtet eine verzerrte Selbstwahrnehmung dauerhaften Schaden an. Doch wie können Eltern und Erziehende das Selbstbewusstsein von Kindern und Jugendlichen stärken? Ein kritischer Blick auf die Online-Nutzung der Jugendlichen erklärt einiges...
- 1Was ist Schönheit?
- 2Doch was haben soziale Netzwerke damit zu tun?
- 3Was machen verzerrte Schönheitsideale mit Kindern?
- 4Gibt es auch „gute“ Influencer*innen, wenn es um das Thema Schönheit geht?
- 5Wie wichtig sind Influencer*innen im Leben des Kindes und wann sollte die Reißleine beim Nacheifern gezogen werden?
- 6Was können Erwachsene tun?
- 7Wie können Eltern mit ihren Kindern über die Schönheitsideale und Werbebotschaften reden?
- 8Was bringen Kampagnen wie #bodypositivity?
- 9Und wie wirkt der Freundeskreis auf die Schönheitsideale?
- 10Zusammenfassung: Stärken stärken, schwächt Schwächen
Was ist Schönheit?
Wenn es um das Thema Schönheit geht, existiert keine einheitliche Definition darüber, was dieser Begriff eigentlich bedeutet. Sicher ist Symmetrie ein grundlegendes Kriterium für das menschliche Schönheitsempfinden, was auch in wissenschaftlichen Studien belegt wurde. Bereits Säuglinge schauen ein attraktiveres Gesicht länger an als ein weniger schönes. 50% des Schönheitsempfindens sind genetisch vererbt. Die anderen 50% sind subjektiv und werden durch Umwelteinflüsse geprägt. So beschreibt Gerd Mietzel in seinem Buch “Wege in die Entwicklungspsychologie: Kindheit und Jugend”.
Doch was haben soziale Netzwerke damit zu tun?
Besonders Kinder und Jugendliche sind beim Thema Schönheit noch sehr unsicher und stellen häufiger die Frage „Sehe ich schön aus?“. Um die eigene Schönheit einzuordnen, spielen soziale Netzwerke für sie eine große Rolle. Instagram, TikTok, YouTube und Co. transportieren direkt oder indirekt Schönheitsideale. YouTube-Kanäle wie Bibis Beauty Palace oder Julian Bam geben Lifestyle- und Schönheitstipps für junge Menschen. Doch in regelmäßigen Abständen kritisieren Medienpädagog*innen und sogar Influencer*innen selbst die propagierten Schönheitsbilder der Social-Media-Stars. Doch ist die Kritik berechtigt? Die Autor*innen von AlgorithmWatch liefern gute Argumente für diese Form der Kritik. In einer Untersuchung stellten sie fest, dass Bilder von Frauen in Bikinis oder Männern mit nacktem Oberkörper im Nachrichtenfeld häufiger angezeigt werden als andere Beiträge. Dies signalisiert, dass ein wesentliches Kriterium der Auswahl von Beiträgen „nackte Haut“ ist.
Doch die meisten Kinder und Jugendliche sowie viele Erwachsene kennen die Funktionsweisen von sozialen Medien leider nicht. Kritiken wie diese, führen zu der Frage, warum YouTube, Instagram und Co diese Voreinstellungen so programmiert haben.
Wenn es wirklich stimmt, dass „nackte Haut“ von den Algorithmen der sozialen Netzwerke häufiger prominent darstellt wird, dann transportieren soziale Netzwerke indirekt verzerrte Schönheitsideale. Jugendliche könnten verleitet werden, Schönheit beispielsweise mit Sexismus zu verwechseln, wenn Bilder, die nackte Haut zeigen, bevorzugt behandelt werden.
Was machen verzerrte Schönheitsideale mit Kindern?
Sexismus ist kein neues Phänomen unserer Zeit, er kann sich jedoch unter den genannten Bedingungen weltweit verstärken. Festgefahrene Rollenbilder und die Benachteiligung des weiblichen Geschlechts können dadurch gefördert werden. Dies wirkt einer Gesellschaft, die Wert auf Demokratie, Diversität, Toleranz und Gleichberechtigung legt, entgegen. Weitere kritische Beispiele aus sozialen Netzwerken für die Verzerrung von Schönheitsidealen sind unter anderem Bilder, die Mager- oder Muskelsucht propagieren. Hier könnten heranwachsende Mädchen und Jungen in ihrem Recht auf Schutz und Unversehrtheit verletzt werden und gesundheitsgefährdenden Schönheitsidealen nacheifern.
Gibt es auch „gute“ Influencer*innen, wenn es um das Thema Schönheit geht?
Natürlich! Doch um diese zu kennen müssen sich Eltern und Erziehende mit den sozialen Medien auseinandersetzen. Wenn es darum geht das Selbstbewusstsein zu stärken, können Influencer*innen sogar eine positive Botschaft gegenüber der eigenen Körperwahrnehmung vermitteln. Das eigene Selbst so anzunehmen, wie es ist: Dafür steht z.B. Anuschka Rees auf Instagram. Sie ist auch Autorin des Buchs “Beyond Beautiful”, worin es darum geht seinen eigenen Körper zu akzeptieren, anstatt gegen ihn zu kämpfen. Weitere Influencer*innen die stereotype Schönheitsbilder hinterfragen und kritisieren sind Louisa Dellert und Charlotte Weise auf ihren Instagram-Kanälen.
Wie wichtig sind Influencer*innen im Leben des Kindes und wann sollte die Reißleine beim Nacheifern gezogen werden?
Für Kinder und Jugendliche gehören Influencer*innen so zu ihrer Alltagsrealität dazu, sowie bei ihren Eltern damals die Pop-Sternchen aus der “Bravo”. Ein Grund dafür ist, dass sich ihr Medienkonsum stark auf die mobilen Geräte wie Smartphones und Tablets verlagert hat. Influencer*innen sind auch deshalb so wichtig für Jugendliche, weil diese in der Pubertät sind und nach Vorbildern suchen. Die Vorbilder werden besonders dann attraktiv, wenn sie auch vom Freundeskreis angehimmelt werden. Es ist also normal, dass Kinder und Jugendliche bestimmten Influencer*innen nacheifern.
Sollten Sie feststellen, dass ihr Kind ausschließlich einem oder mehreren Influencer*innen nacheifert, ihren Look kopiert, deren Produktempfehlungen aufgreift oder sogar deren politische Meinung übernimmt, lohnt es sich darüber mit ihrem Kind zu sprechen. Machen sie ihrem Kind bewusst, dass Influencer*innen mit ihren Beiträgen auch Geld verdienen wollen. Deswegen müssen Influencer*innen ihre Beiträge kennzeichnen, wenn bei der Nutzung von Kleidung, Kosmetikprodukte oder anderen Produkte ein finanzielles Interesse dahintersteht. Kinder und Jugendliche sollten also wissen, dass das Aussehen einer Influencerin oder eines Influencers ein “aus Geschäftsgründen” optimiertes Bild ist, dass mit der Realität nicht übereinstimmt.
Zur Strategie der Influencer*innen gehört es auch mit der Community in Kontakt zu sein. Zeigen sie ihrem Kind deshalb unbedingt die Unterschiede zwischen realen Freundschaften und denen in sozialen Netzwerken auf. Gehen sie dabei auch auf Verhaltensweisen ein, welche die Identität und Privatsphäre ihres Kindes schützen. Wenn es notwendig ist, vereinbaren sie einen festen Zeitrahmen für den Medienkonsum. Doch vor allem, bieten sie ihrem Kind viele aktive und kreative Freizeitaktivitäten an und fördern sie dabei den Kontakt ihres Kindes mit Gleichaltrigen. Eine neue Sportart auszuprobieren oder ein Instrument spielen zu lernen: Dies stärkt die eigene Körperwahrnehmung und das Selbstbewusstsein weitaus mehr als irgendein*e Influencer*in!
Was können Erwachsene tun?
Kurzgefasst lautet die Antwort: Kinder und Jugendliche sensibilisieren und soziale Netzwerke kritisch hinterfragen! Dazu gehört auch die Wirkung von Influencer*innen auf YouTube und Instagram genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn der Erfolg der Online-Idole liegt häufig darin, dass sie sich als vermeintlich nahestehende Person geben, um letztendlich Produkte vermarkten zu können, was zu deren Geschäftsmodell gehört. Dafür werden Themenbereiche genutzt, die besonders beim jungen Publikum beliebt sind. Zwei Beispiele: das männliche Instagram-Modell MagicFox und die Fitness-Ratgeberin Pamela Reif sind bei vielen Jugendlichen bekannt, weil diese Schönheits- und Fitnesstipps geben. Sie beeinflussen die jugendlichen Follower*innen nicht nur, ihnen nachzueifern, sondern fördern stereotypische Bilder für das männliche bzw. weibliche Schönheitsideal, sprich sportlich und muskulös beim Mann bzw. schlank und sexy bei der Frau.
Wie können Eltern mit ihren Kindern über die Schönheitsideale und Werbebotschaften reden?
Eltern und Erziehende können hier ansetzen und ihre Sprösslinge aufklären, wie die subtilen Werbestrategien funktionieren. Eltern können z. B. Videos auf YouTube gemeinsam mit ihren Kindern anschauen und spielerisch zeigen, wo Werbung versteckt ist. Eine Spielidee: bei jeder entdeckten Produkterwähnung gibt es ein Gummibärchen. Wer die meisten Bären hat, gewinnt!
Doch wie kann man Kindern erklären, dass die vermeintliche Schönheit der Influencer*innen nicht alles ist? Denn sportlich, schlank, muskulös und sexy sind zwar Attribute, mit denen Jugendliche Schönheit beschreiben, da sie die Gesamterscheinung der individuellen Persönlichkeit attraktiv machen. Zur individuellen Persönlichkeit zählen aber nicht nur die äußeren, sondern auch die inneren Qualitäten einer Person. Eltern können gemeinsam mit ihren Kindern ein x-beliebiges Influencer*innen-Profil anschauen und nachzählen, wie oft die äußeren Attribute des Influencers im Vordergrund stehen und wie oft seine inneren Eigenschaften wie z. B. Humor, Ehrlichkeit oder Freundlichkeit. Kinder und Jugendliche werden schnell merken, welche Influencer*innen oberflächlich agieren und die letztere Komponente vernachlässigen.
Was bringen Kampagnen wie #bodypositivity?
Kampagnen, wie #bodypositivity, welche die Themen natürliche Schönheit und positive Körpereinstellung in den Fokus rücken, sind noch zu selten. Außerdem können sie für neue Stereotypenbilder ausgenutzt werden, wie es im Fall der Sendung „Curvy Supermodel“ geschieht. Denn letztlich stehen hier junge, attraktive, etwas korpulente Frauen genau wie bei anderen Schönheitswettbewerben in Konkurrenz zueinander und müssen sich einer Bewertung unterziehen.
Und wie wirkt der Freundeskreis auf die Schönheitsideale?
Nicht nur soziale Medien beeinflussen das Schönheitsempfinden von Kindern und Jugendlichen, sondern auch der Freundeskreis. Es ist nicht verwunderlich, wenn Kinder bereits im Kindergartenalter Wünsche bezüglich ihrer Kleidung und ihres Aussehens äußern, damit sie einer Freundin oder einem Freund ähnlicher sein können. Sie geraten durch das Eintreten in den sozialen Raum – Kindergarten/Schule – in eine Vergleichssituation. Andere Kinder könnten z.B. sagen „Deine Schuhe sind hässlich aber deine Jacke ist cool.“ So entsteht ein gewisser Druck dazuzugehören und in einer Gemeinschaft angenommen zu werden. Darunter leiden Mädchen und Jungen gleichermaßen, denn oftmals setzen sie eine Fassade auf, die gar nicht ihrem eigenen Schönheitsempfinden entspricht. Dies kann sich sogar gesundheitsgefährdend auswirken, z.B. dann, wenn junge Mädchen damit konkurrieren, wer am wenigsten Körpergewicht hat.
Zusammenfassung: Stärken stärken, schwächt Schwächen
Oberstes Ziel von Erziehungsberechtigten, Pädagog*innen muss lauten Kindern und Jugendlichen ein gesundes Selbstvertrauen zu vermitteln. Dies kann erreicht werden, indem man mit Kindern und Jugendlichen über Schönheitsideale spricht, die Gefahren von sozialen Medien aufzeigt, ihnen eine Bandbreite von Schönheitsidealen präsentiert und beibringt kritisch mit Medien umzugehen. Auch durch das Loben und Hervorheben von positiven Eigenschaften der Kinder kann ein positives Selbstwertgefühl verstärkt werden. Es ist wichtig Interesse für den Freundeskreis des Kindes zu signalisieren, um zu erfahren, mit wem es Umgang hat. Aber auch Bücher und Filme zum Thema Schönheit können (gemeinsam) gelesen oder angeschaut werden. Eltern, die ein kritisches oder gar gesundheitsgefährdendes Schönheitsbild bei ihren Kindern erleben, haben auch die Möglichkeit mit Beratungsstellen, Ärzt*innen und Psycholog*innen zu sprechen. Bei diesen Experten erhalten sie gute Ratschläge, wie sie die Situation für ihr Kind verbessern können.
Bleiben Sie im Gespräch!
Es ist wichtig im Gespräch zu bleiben, um das Vertrauen zwischen Eltern und Kindern zu erhalten. Verantwortungsvolle Eltern, Pädagog*innen sollten auch immer auf den Aspekt der inneren Schönheit eingehen, um Kindern und Jugendlichen aufzuzeigen, dass äußere Schönheit allein nicht alles ist. Denn wahre Schönheit kommt bekanntlich von Innen! Wenn sie also ihr Kind fragt „Bin ich schön?“, dann antworten sie mit „Ja!“ und geben sie konkret an, was sie schön finden z. B. „Du hast ein schönes Lächeln und bist immer freundlich.“ So kann man ein äußeres mit einem inneren Attribut verbinden und das Selbstbewusstsein in die richtige Richtung lenken.
Stand: August 2023
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