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Minecraft, Fortnite und Co.: Wie viel Potential in den Games von heute steckt
Ballerspiele, Aggressionspotential, Zeitfresser, Konzentrationsrauber: Videospiele hatten lange Zeit einen üblen Ruf unter Eltern und Lehrern. Inzwischen ist klar, wie viel Gutes heutige Games bewirken können – auch im Schulunterricht.
Der schlechte Ruf von Videospielen muss endgültig der Vergangenheit angehören. Zu diesem Ergebnis kommen nicht nur zahlreiche Studien, sondern auch immer mehr Pädagoginnen und Pädagogen. Kids, die regelmäßig zocken, steigern Reaktionsfähigkeit, Koordination, strategisches Denken und können Zusammenhänge besser erkennen. Auch die 45. Stuttgarter Tage der Medienpädagogik am 22. März 2023 in Stuttgart-Hohenheim setzen sich deswegen mal ganz ausführlich mit Videospielen auseinander. Ihr diesjähriges Motto: „Gaming bildet?! – Vor(ur)teile von digitalen Spielen in der Bildung“.
- 1Siegeszug der Games
- 2Der schlechte Ruf der Videospiele
- 3Mit Games zu besseren Noten
- 4Kompetenzen spielend erlernen
- 5Das Minecraft-Prinzip
Siegeszug der Games
Videospiele sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Die einen verkürzen die Bahnfahrt mit einem Handy-Game, die anderen bauen stundenlang komplexe Strukturen in Spielen wie Minecraft, während sich manche nach Feierabend online treffen, um gemeinsam große Kampagnen zu spielen. Der Reiz ist groß, die Technik mittlerweile so gut, dass die Spiele zum immersiven Erlebnis werden. Games erlauben es Spielerinnen und Spielern, tief in virtuelle Welten einzutauchen. Das ist ein Stück weit natürlich auch Eskapismus, aber das ist ein Buch oder Film eben auch. Und im Gegensatz zu diesem rein passiven Konsum sind die Spielenden beim Gaming selbst gefragt. Sie müssen agieren, reagieren, die Handlung vorantreiben.
Doch obwohl laut der JIM-Studie 2021 fast drei Viertel aller Jugendlichen in Deutschland täglich oder mehrmals in der Woche digitale Games spielen, ist Gaming keineswegs Kinderkram: Das Durchschnittsalter der Gamer-Fraktion liegt bei 37,6 Jahren.
Der schlechte Ruf der Videospiele
Games hatten lange Zeit einen schlechten Ruf. Sie würden die Jugend verdummen, vom Lernen abhalten, für Konzentrationsschwächen sorgen – von Verrohung und ruinierten Augen mal ganz zu schweigen. Sogar aggressiv würden Videospiele machen, mehrmals machte man die sogenannten Ego-Shooter nach Amokläufen an Schulen zum Sündenbock. Viele Studien meinten in den vergangenen Jahren zu dem Ergebnis zu kommen, dass Ego-Shooter die Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen erhöhen. Bei diesen Studien wurde aber meist das soziale Umfeld der Gamer ignoriert.
Erst 2021 kam es zu einer ausführlicheren Langzeitstudie, in der Forscherinnen und Forscher Kinder und Jugendliche über einen Zeitraum von zehn Jahren begleitet und deren soziales Verhalten untersucht haben. Das Ergebnis hat der SWR so zusammengefasst: „Die Forscherinnen konnten insgesamt keinen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Videospielen mit Gewaltdarstellungen und einer gesteigerten Aggressivität finden.“
So einfach ist das also alles nicht. Denn obwohl die Gewaltdarstellungen in einigen expliziten Spielen gewiss nichts für Kinder sind und wie bei jedem Medium auch hier stets die Eltern gefragt sind, ist das Gros der heutigen Games harmlos. Und kann sogar lehrreich sein.
Mit Games zu besseren Noten
Mittlerweile wurden zahlreiche weitere Studien zu Gaming-Verhalten und neuronalen Auswirkungen angestellt. Mit sehr ähnlichen und beeindruckenden Ergebnissen: In Melbourne hat etwa der Wirtschaftswissenschaftler Alberto Posso die Ergebnisse der PISA-Studie für 15-jährige australische Schülerinnen und Schüler mit ihren PC-Gewohnheiten abgeglichen. Danach hatten Computerspieler nicht nur bessere Noten in Mathematik und Naturwissenschaften, sondern auch ein höheres Leseverständnis.
Kompetenzen spielend erlernen
Untersuchungen wie diese machen deutlich, dass Computerspiele nicht schaden. Mehr noch: Sie sind nützlich. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Neurowissenschaftlerin Simone Kühn am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Sie untersuchte das Spiel „Super Mario 3D“ und fand heraus, dass das Spielen „die für räumliche Vorstellung, strategisches Planen und die Fingersteuerung zuständigen Gehirnregionen wachsen“ lässt.
Der Schlüssel könnte allerdings im Spaß liegen: Wenn wir Freude an etwas haben, fällt uns das Lernen deutlich leichter, es gibt also eine direkte Korrelation zwischen Hirnwachstum und Spielspaß. Und das übrigens nicht nur bei Kids: Auch Menschen ab 65 Jahren können mit Games gezielt bestimmte Hirnfunktionen trainieren, um Alterungsprozessen entgegenzuwirken. Das richtige Spiel kann also ein echter Jungbrunnen sein.
Eine britische Studie des National Literacy Trust hat zudem herausgefunden, dass Videospiele in der Lage sind, Empathie zu steigern und uns zu mitfühlenderen, sozialeren Menschen zu machen. Von wegen Abstumpfung also. Zwei von drei Befragten gaben in der Studie an, sich durch Gaming besser in die Haut eines anderen versetzen zu können. Kein Wunder: Man kann in die Rolle von Fabelwesen wie Orks schlüpfen, kann das Geschlecht wechseln oder die Welt mal aus einer ganz anderen Perspektive wahrnehmen.
Das Minecraft-Prinzip
„Minecraft“ ist das erfolgreichste Videospiel aller Zeiten. Allein seine PC-Version wurde weltweit fast 30 Millionen Mal verkauft. Im Spiel bauen Spielerinnen und Spieler in einer dreidimensionalen Welt aus Blöcken zahllose Ressourcen ab und verarbeiten diese weiter zu Werkzeugen, Waffen, Essen oder mehr. Das Besondere: Minecraft wird ohne Anleitung und ohne Tutorial geliefert. Zudem gibt es nicht wirklich ein Ziel. Jeder Spielende ist also selbst gefragt und muss entscheiden, wie sein Erlebnis aussehen soll. Das ist hochgradig kreativ und dank der komplexen Spielidee ziemlich einzigartig. Es ist auch ein starkes Tool für den Schulunterricht.
Das wissen immer mehr Lehrerinnen und Lehrer für sich zu nutzen: Seit einigen Jahren wird Minecraft auch im Bildungskontext eingesetzt. „Tendenz stark steigend“, wie der Friedrich Verlag schreibt. Die Einsatzgebiete von Minecraft sind dabei so vielfältig wie das Spiel selbst, zudem gibt es einen unschätzbaren Vorteil: Die meisten Schülerinnen und Schüler kennen das Spiel bereits. Und lassen sich entsprechend gern auf diesen Unterricht ein.
Ob man also Geschichte lernt (berühmte Gebäude lassen sich ins Spiel importieren) oder Gebäude nachbaut, ob man die Grundlagen von Elektrotechnik untersucht, programmiert, Rechenaufgaben löst, Hinweise kombiniert oder – und auch das geht – Atome herstellt: Das Spiel bietet unzählige didaktische Ansätze. Voraussetzung ist aber natürlich, dass die Lehrkraft bestens mit dem Spiel vertraut ist und entsprechende Aufgaben im Vorfeld im Spiel vorbereiten kann. Seit 2016 steht dafür auch die Minecraft Education Edition zur Verfügung, eine für den Einsatz an Schulen und Bildungseinrichtungen entwickelte Version von Minecraft.
Games sind eben deutlich mehr als bloßer Zeitvertreib. Man muss sie nur richtig zu nutzen wissen.
Stand: März 2023
Weiterführende Informationen
Weitere Links
www.didacta.de
Didacta 2023
www.games-im-unterricht.de
Games im Unterricht
www.wolterskluwer.com
Gamification-Konzepte für die Schule
www.thats-ai.org
Wie man mit Kindern über KI spricht