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Dark Pattern | Wie uns Apps und Webseiten ihren Willen aufzwingen
Kürzlich verkündete Instagram, dass die Anzahl der Likes ausgeblendet werden kann, um den sozialen Druck zu verringern. Doch leider ist diese Funktion gut versteckt und muss pro Beitrag einzeln aktiviert werden. Setzt Instagram hier ein weiteres Dark Pattern ein? Und was steckt hinter den manipulativen Benutzeroberflächen von Apps und Webseiten?
Jede*r kennt Pop-Ups, die auf Webseiten auftauchen und vorschlagen, die eigene E-Mail-Adresse einzugeben bzw. ein Gratis-Produkt zu bestellen. Kompliziert ist es auch dann, wenn das Fenster geschlossen werden soll: Der Bestell-Button ist oft übergroß und farbig, während „Nein, Danke“ oder der Schließen-Button klein und versteckt ist. In der Tat handelt es sich bei der Gestaltung um ein sogenanntes „Dark Pattern“. Damit beschreibt die Verbraucherzentrale „manipulative Designs oder Prozesse, die Nutzer:innen einer Website oder App zu einer Handlung überreden sollen“.
- 1Warum funktionieren Dark Patterns?
- 2Fünf Dark Pattern-Beispiele
- 3Mit welchen Dark Patterns werden Kinder konfrontiert?
- 4So schützen Sie sich (und Ihre Kinder) vor Dark Patterns
Warum funktionieren Dark Patterns?
Wenn Designer*innen an einer Webseite oder App arbeiten, wenden sie neben Gestaltungsregeln wie Farbenlehre, Symmetrie oder Konsistenz auch Erkenntnisse der Verhaltenspsychologie an. Diese besagen, dass User*innen durch Wiederholung bestimmte Muster erlernen, z. B. dass Schrift auf dunklem Hintergrund mit Rahmen einen „Button“ darstellt und eine Aktion auslöst. Von „Dark Patterns“, oder auf Deutsch von „bösen Verhaltensmustern“, spricht man, wenn genau solche Verhaltensmuster dazu genutzt werden, dass User*innen Handlungen vornehmen,
- die unbeabsichtigt sind,
- die gegen ihre eigenen Interessen stehen,
- aus Unwissenheit getätigt werden
- oder mit falschen Erwartungen verknüpft sind.
Die Verbraucherzentale hat hier die bekanntesten Dark Patterns zusammengefasst. Noch genauer werden sie hier und hier auf Englisch beschrieben.
Fünf Dark Pattern-Beispiele
Bewusst oder unbewusst haben die meisten Nutzer*innen von Webseiten und Apps bereits erlebt, wie ihr Verhalten per Design beeinflusst wird. Hier fünf sehr bekannte Varianten:
Ausloggen, Account löschen, Abbestellen: Wo ist das versteckt?
Die Anmeldung bei einem Newsletter, einem sozialen Netzwerk oder einem Online-Dienst wie Google oder Amazon ist kinderleicht: die persönlichen Daten sowie die E-Mail-Adresse eingeben, einen Link in einer Bestätigungsmail anklicken und schon ist man „registriert“. Eine Anmeldung rückgängig zu machen oder ein Profil zu löschen ist deutlich schwieriger. Entweder ist der Link zum Abbestellen eines Newsletters extrem gut versteckt oder die Funktion zum Löschen eines Profils befindet sich auf der dritten Unterebene der „Einstellungen“ in einem schlichten Text-Link. Manche Dienste bieten die Funktion gar nicht an – für die Löschung muss erst eine E-Mail an den Support oder sogar ein Fax oder Brief an den Anbieter geschickt werden.
Cookie-Banner: Annehmen oder Ablehnen – das ist hier die Frage
Ein sehr häufig verwendetes Dark Pattern findet man in Cookie-Bannern, womit die Infoboxen gemeint sind, die beim erstmaligen Öffnen einer Internetseite aufpoppen. Hier sollen User*innen einstellen dürfen, ob sie für Werbe- und Marketingzwecke auf der jeweiligen Seite nachverfolgt – neudeutsch „getrackt“ – werden dürfen. Winzig kleine Dateien – sogenannte „Cookies“ – verraten den Anbieter*innen von Webseiten alles über das Klickverhalten der Besucher*innen. In der EU dürfen diese Cookies per Gesetz nur mit Einwilligung der User*innen eingesetzt werden. In den Cookie-Bannern wird deshalb abgefragt, ob wir Cookies akzeptieren oder ablehnen wollen. Meist wird die Option zum Annehmen viel prominenter dargestellt als der Link zum Ablehnen. Wer davon genervt ist, kann aktiv werden. Auch der Gesetzgeber untersagt einen irreführenden Einsatz dieser Banner. Wo aber kein Kläger ist, da ist auch kein Richter. Deswegen setzen sich Initiativen wie noyb oder tracktor.it gegen den irreführenden Einsatz der Banner ein. Auf letztgenannter Seite kann mit wenigen Klicks eine Beschwerde eingereicht werden, falls man ohne Einwilligung auf einer Seite getrackt wird.
Nur noch 4 Artikel verfügbar – kaufen, bevor ein*e andere*r zuschnappt
Besonders Erwachsene kennen den emotionellen Kick beim Onlineshopping oder beim Buchen eines Hotels oder Fluges: zuerst der Stress, dass richtige Angebot zu finden, dann die Unsicherheit, ob das Angebot in der richtigen Größe oder zu richtigen Datum verfügbar ist – und zum Abschluss Freude oder Frust, je nach Verfügbarkeit des Angebotes. Um den Kick zu verstärken, blenden die Anbieter*innen oft kleine Infotexte ein, in denen informiert wird, dass sich bereits „ein andere*r Besucher*in für dieses Angebot interessiert“ oder „nur noch 4 Artikel verfügbar“ sind. Um nicht in die Röhre zu gucken und das tolle Angebot zu verpassen, sind User*innen unter dem künstlich erzeugten Zeitdruck eher bereit, ihre Bezahldaten einzugeben und einen Kauf zu bestätigen. Auch hier handelt es sich um ein Dark Pattern.
Gratis-Version: Warum muss ich jetzt meine Bezahldaten eingeben?
Die meisten Virenprogramme, Foto-Apps oder Online-Services werden gratis angeboten – nur mit einem winzigen Haken. Sobald die vierwöchige Probezeit abgelaufen ist, wird man dazu aufgefordert, die Bezahldaten einzugeben, um die Vollversion zu erwerben. Ein anderer Trick besteht darin, in der Gratis-Version nur Basis-Funktionen anzubieten. Für den vollen Funktionsumfang muss das Premium-Produkt erworben werden.
Teilung der eigenen Standort-Daten
Datenschützer*innen hatten bereits vor Jahren davor gewarnt, dass auf Android-Smartphones die Standortdaten unerwünschterweise von Google ausgelesen werden. Dass Google absichtlich verschleierte, in welchem Umfang Standortdaten ausgelesen werden, wird mittlerweile von der US-Staatsanwaltschaft untersucht. Hinweise aus internen Google-Unterlagen belegen, dass die Einstellungen, um die Übertragung von Standort-Daten zu verhindern, in solchem Maße versteckt wurden, dass ein Abschalten der Funktion fast unmöglich war. Google drängte sogar Smartphone-Hersteller dazu, die Einstellungen möglichst unauffindbar zu machen. Das Verstecken von wichtigen Einstellungen zählt zu den Dark Patterns.
Mit welchen Dark Patterns werden Kinder konfrontiert?
Nicht nur Erwachsene tun sich damit schwer, die irreführenden Praktiken zu erkennen. Insbesondere Kindern fehlt es an Reife und Hintergrundwissen, um die manipulativen Designs zu erkennen und zu verstehen. Kinder werden noch stärker von ihren Emotionen geleitet, wenn sie Spiele oder soziale Netzwerke nutzen.
Instagram: Endloses Scrollen und nicht wirklich deaktivierbare Likes
Instagram will durch sein Design eine möglichst langanhaltende Interaktion auslösen. Deshalb existiert weder im Feed (den einzelnen Beiträgen, die untereinander erscheinen) noch bei den Reels (den Kurzvideos) ein Endpunkt. Das Wischen und Scrollen kann unendlich fortgesetzt werden, was an früheres Zappen mit der Fernbedienung erinnert. Aus der App auszusteigen, bedeutet deshalb für Heranwachsende (aber auch Erwachsene) einen mentalen Kraftakt.
Wie in der Einleitung erwähnt, lässt sich auf Instagram die Darstellung von Likes ausschalten, um deren sozialen Druck zu verhindern. Für neue, wie alte Beiträge müssen die Likes jedoch einzeln deaktiviert werden. Es ist anzunehmen, dass Heranwachsende keine Geduld haben, dies bei jedem Beitrag einzeln einzustellen. Man kann davon ausgehen, dass diese Funktion absichtlich so umständlich umgesetzt wurde – schließlich sind Likes eine der wichtigsten Kennzahlen, an denen der Instagram-Algorithmus die Interaktion ablesen kann.
Ein weiteres Dark Pattern besteht darin, dass man seinen Instagram-Account nicht in der App löschen kann. Dies ist nur über einen Umweg über die Desktop-Version von Instagram möglich. Auf einer versteckten Hilfe-Seite muss man auf einen Link klicken, der zum Löschen-Formular führt.
Warum ist TikTok so ein Zeitfresser?
Ähnlich wie bei Instagram setzt auch TikTok darauf, die Userinnen und User möglichst lang in der App zu halten. Dazu zählt, dass TikTok auf den ersten Blick keine Funktion hat, um die Wiedergabe von Videos anzuhalten. Sobald TikTok geöffnet wird, wird ein Video angezeigt. Sobald es abgespielt wurde, fängt es wieder von vorne an. Durch einen Wisch gelangt man zum nächsten Video, was endlos weiter gehen könnte. Der TikTok-Algorithmus ist berühmt-berüchtigt dafür, zu wissen, was uns gefällt. Dadurch wird uns genau das angezeigt, was wir als unterhaltsam betrachten. Im Comic-Stil veranschaulicht dies die Seite „The Psychology Behind TikTok’s Addictive Feed“. Kritisiert wird auch, dass TikTok die Kontakte auf den Smartphones ausliest, um uns Freunde vorzuschlagen, die bereits auf TikTok sind. Freunden wird dann unaufgefordert eine Benachrichtigung geschickt, sobald wir einen Beitrag veröffentlichen.
Spiele-Apps: voll von Dark Patterns
Manipulative Methoden in Computerspielen wurden in den Medien bereits ausführlich kritisiert. Nur ein Beispiel: Erst Jan Böhmermanns Kritik an der Kinder-App „CoinMaster“ führte dazu, dass die Alterseinstufung der App von 0 auf 16 Jahre angehoben wurde. Spieledesigns wie bei „CoinMaster“, welche Glückspielmetoden nachahmen oder eine besondere Dringlichkeit vorgaukeln, zählen zu den bekanntesten Dark Patterns und kommen in den bekanntesten Spielen wie „Fortnite” oder „Candy Crush” vor.
Eine weitere Dark Pattern-Methode von Games besteht darin, Kosten zu verstecken. Die meisten der aktuell bekannten Computerspiele sind „free to play“, was mit „umsonst zu spielen“ übersetzt werden kann. Leider müssen oft – um im Spielverlauf voranzukommen – Extras und Items gekauft werden. Versteckte Kosten und viele weitere Dark Patterns werden (leider nur auf Englisch) auf der Seite „Dark Pattern Games“ ausführlich vorgestellt.
Kinder können die Werbung auf Google nicht erkennen
Werbeanzeigen auf Google wurden noch bis 2019 mit dem grünen Kasten „Anzeige“ gekennzeichnet. „Organische“ Ergebnisse – welche der Google-Algorithmus ausspuckt, ohne dafür bezahlt zu werden – sollten so besser von der Werbung unterschieden werden. Den wenigsten wird aufgefallen sein, dass die grünen Anzeigen mittlerweile „verschwunden“ sind. Inzwischen hat Google die Kennzeichnung von Werbung deutlich reduziert: Nur ein gefettetes „Ad“ vor der Ziel-URL soll auf eine bezahlte Einblendung hinweisen.
Dass insbesondere Heranwachsenden sich damit schwertun, auf Google Werbung zu identifizieren, haben Studien belegt. Die britische Medienaufsichtsbehörde Ofcom hat 2018 gezeigt, dass nur jedes fünfte Kind in der Lage ist, Werbung von echten Suchergebnissen zu unterscheiden. Die schrittweise Verwischung von Werbung und normalen Einblendungen ist ein weiteres Dark Pattern, welches insbesondere Heranwachsenden erklärt werden muss.
So schützen Sie sich (und Ihre Kinder) vor Dark Patterns
Sich nicht von Emotionen leiten lassen
Wie anfangs beschrieben, soll unser Onlineverhalten durch Design und erlernte Verhaltensmuster gesteuert werden. Vor allem unsere Emotionen spielen dabei eine große Rolle. Durch das Auslösen von Angst, (Vor-)Freude, Stress, Gier, Neugierde oder Scham kann eine Entscheidung, ein Verhalten oder sogar ein Kauf provoziert werden. Ein souveräner Umgang mit dem Smartphone bedeutet, diese Methoden zu durchschauen und ihnen zu widerstehen – was keine leichte Übung ist. Wenn Erwachsene sowie Kinder bei der Smartphone- und Computernutzung ihren eigenen emotionalen Zustand häufiger reflektieren, kann dies gelingen. „Wie fühle ich mich gerade und was löst dieses Gefühl in mir aus?“ – diese Frage kann Fehlentscheidungen vermeiden und den Druck aus der hektischen Online-Nutzung nehmen.
Lesefähigkeit stärken: erst denken lesen, dann klicken
Niemand liest gern das Kleingedruckte, AGBs oder Datenschutzerklärungen. Leider stecken in diesen Texten oft wichtige Details, die unsere Entscheidungen maßgeblich beeinflussen würden – wenn wir sie denn gelesen hätten. Die Verbraucherzentrale empfiehlt zum Schutz gegen Dark Patterns:
- Nicht zu schnell auf Buttons klicken und erst die Optionen genau anschauen.
- Checkboxen bzw. Häkchen in Online-Formularen überprüfen – besonders solche, die bereits vorausgewählt sind.
- Bei Onlineshopping vor Kaufabschluss den Warenkorb überprüfen.
- Keine Kaufentscheidungen übereilen und sich nicht drängen lassen.
- Durch Formulierungen kein schlechtes Gewissen machen lassen.
Technische Lösungen: Adblocker, Digital Wellbeing-Apps und Filter
Die Einblendung von schwer erkennbarer Werbung oder der heimliche Abruf von Browser-Daten (Cookies etc.) kann durch Adblocker und Filter verhindert werden. Bekannte Browser-Erweiterungen sind u. a. AdblockPlus, uBlock oder Ghostery. Um zu verhindern, dass man durch manipulativ designte Apps zu viel Zeit verplempert, sind Digital Detox-Apps eine mögliche Lösung. Diese helfen dabei, den Zeitkonsum im Auge zu behalten und zeitliche Grenzen für die App-Nutzung zu setzen.
Ihre Daten sind wertvoll(er, als Sie denken)
„Wenn Sie nicht für ein Produkt bezahlen, dann sind Sie selbst das Produkt“, lautet ein interessantes Zitat von Andrew Lewis über den Wert unserer Daten. Expert*innen gehen davon aus, dass unsere Browser-Historie durchschnittlich 20 Euro wert ist, unser WhatsApp-Chat-Verlauf 30 Euro und die Datensätze einer Google-Nutzerin oder eines Google-Nutzers ca. 167 Euro. Dafür, dass Google von drei Milliarden Nutzer*innen weiß, welche Geräte sie verwenden, an welchen Standorten sie waren, welche Videos sie schauen, wonach sie suchen und welches Geschlecht, Alter und welche Nationalität sie haben, ist das Unternehmen mittlerweile 1,3 Billionen Euro wert.
E-Mail-Adressen und persönliche Daten – insbesondere von Kindern – sollten deshalb nur sehr sparsam verwendet werden. Leider gewöhnen Facebook und Google vor allem durch Dark Patterns die heranwachsende Generation daran, dass persönliche Daten keinen Wert haben.
Stand: September 2023
Weiterführende Informationen
Link-Tipps
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